Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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90. Der Sack voll Erde

Ein reicher Mann brachte seine Nachbarin, eine arme Witwe, um ihren einzigen Acker, um damit seinen Garten zu vergrößern. Als er am andern Tage auf dem Acker umherging, kam die arme Witwe mit einem leeren Kornsacke und sprach zu ihm mit weinenden Augen: Ich bitte Euch, laßt mich von meinem väterlichen Erbteile nur so viel Erde nehmen, als in diesen Sack hineingeht. – Der Reiche sagte: Diese törichte Bitte kann ich Euch wohl gewähren. – Die Witwe füllte den Sack mit Erde und sprach dann: Nun habe ich aber noch eine Bitte. Seid so gut, und helft mir den Sack auf die Schulter nehmen! Der Reiche hatte keine Lust dazu und schlug es ihr unwillig ab. Allein die Witwe ließ mit Bitten nicht nach, bis er endlich einwilligte. Als aber der Mann, dem schwere Arbeit etwas Ungewohntes war, den Sack aufheben wollte, rief er: Es ist unmöglich, er ist mir zu schwer! Jetzt sprach die Witwe mit großem Nachdrucke: Da Euch dieser Sack voll Erde schon zu schwer ist, wie wird erst der ganze Acker, den tausend solche Säcke nicht fassen könnten, Euch in der Ewigkeit drücken! Der Mann erschrak über diese Rede und gab ihr den Acker wieder zurück.

Scheu unrecht Gut als eine Bürde,
Die ewig dich beschweren würde.


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