Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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51. Der Haushahn

Zwei Räuber stiegen um Mitternacht auf einer Leiter zum Fenster einer Mühle hinein, um den reichen Müller zu berauben. Wie sie nun in dem dunklen Hausgange leise auf den Zehen vorwärts schlichen, um die Schlafkammer des Müllers zu finden, wo er sein Geld aufbewahrte, krähte nicht weit von ihnen der Haushahn. Der jüngere Räuber fuhr zusammen und sagte leise: Der Hahn hat mich recht erschreckt! wir wollen wieder umkehren; der Diebstahl möchte aufkommen. – Du furchtsamer Tropf! sprach der ältere; wer uns in den Weg kommt, den stoßen wir mit unsern Messern nieder. Dann kräht kein Hahn darnach! – Die Bösewichter versetzten dem Müller, der sich tapfer wehrte, eine tödliche Wunde und machten sich mit dem Gelde davon. Drei Jahre nachher blieben sie einmal in dem Wirtshause eines abgelegenen Walddorfes über Nacht. Da krähte der Haushahn ganz nahe bei ihnen so laut, daß beide davon erwachten. Der verwünschte Hahn, sprach der ältere Räuber: ich könnte ihm gleich den Kragen umdrehen. Seit jener Nacht in der Mühle ist mir sein Krähen in der Seele zuwider. – Geht's dir auch so wie mir? sprach der jüngere, wir hätten den Müller nicht umbringen sollen. Denn seit der Zeit geht mir, so oft ein Hahn kräht, ein Stich durch das Herz. Sie schliefen wieder ein; aber gegen Morgen drangen plötzlich bewaffnete Männer in die Kammer und nahmen sie gefangen. Der Wirt hatte, da zwischen ihrer Schlafkammer und der seinigen nur eine leichte Bretterwand war, ihr Gespräch gehört, und sogleich bei dem nächsten Amtsgerichte Anzeige davon gemacht.

Als nun beide Mörder wegen ihres Mordes hingerichtet wurden, sagten die Leute: So hat doch ein Hahn darnach gekräht! Besser wäre es gewesen, sie hätten sich von dem warnen lassen, der zuvor gekräht hat.

Es ruft der Hahn in dunkler Nacht:
Nimm dich vor Bösestun in acht,
weh dem, der eine böse Tat vollbracht.


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