Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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176. Der Arzneikrämer

Ein gut gekleideter Reisender kam an einem Sonntage auf den Abend in eine Dorfschenke und ließ sich ein paar gebratene Hühner und eine Flasche vom besten Weine geben. Sobald er aber den ersten Bissen in den Mund steckte, fing er an erbärmlich zu winseln, hielt ein weißes Tuch an den Backen und sagte, daß die Zahnschmerzen, mit denen er schon seit vierzehn Tagen entsetzlich geplagt sei, sich in diesem Augenblicke wieder zu regen anfingen. Alle Bauern in der Stube hatten großes Mitleid mit ihm. Ueber eine Weile kam ein Arzneikrämer herein, setzte sich in eine Ecke, und verlangte ein Glas Branntwein. Als er hörte, was dem fremden Herrn fehle, sagte er: Da kann ich auf der Stelle helfen! Er langte aus seinem Kästchen ein kleines, nett zusammengelegtes Goldpapier hervor, machte es auf und sprach: Mein Herr! Benetzen Sie einmal Ihre Fingerspitze, tupfen Sie damit in dieses weiße Pulver, und berühren Sie damit den Zahn. Der Fremde machte es so, und rief sogleich laut aus: Wie ist mir? Aller Schmerz ist wie weggeblasen! Er gab dem Arzneikrämer einen großen Taler und nötigte ihn, mit ihm zu essen und zu trinken.

Alle Gäste und alle Leute im Dorfe wollten nun von dem Pulver haben, und der Krämer verkaufte wohl hundert Päckchen, das Stück zu zwölf Kreuzer. Wenn nun jemand im Dorfe Zahnweh kriegte, kam man sogleich mit dem Wunderpulver, und zur Verwunderung aller – half es keinem einzigen. Der Betrug kam endlich an den Tag. Die zwei Reisenden hatten den Handel miteinander verabredet. Das weiße Pulver war nichts, als ein wenig geschabte Kreide. – Beide Betrüger aber wurden wegen dieser und ähnlicher Betrügereien in das Zuchthaus gesperrt.

Kaufst du von Fremden Arzenein.
So wirst du oft betrogen sein.


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