Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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4. Die Lilie

Mitten in Luisens freundlichem Blumengärtchen stand auf einem runden, mit Buchs grün eingefaßten Beetchen eine unvergleichlich schöne weiße Lilie in voller Blüte. Luise, selbst noch nicht viel höher als ein Lilienstengel, betrachtete eines Morgens die schöne Blume, wie sie im rötlichen Morgenstrahle von Tau funkelte, und blickte mit Entzücken und voll Dankes zu demjenigen auf, der Sonne, Tau und Blumen geschaffen hat. Luisens Eltern freuten sich der frommen Empfindungen ihrer Tochter und sagten sich leise: Sie selbst ist eine schuldlose, schön aufblühende Lilie! Allein, ehe ein Jahr verging, starb Luise; und als nun die Lilie wieder blühte, gedachte die Mutter ihrer verblichenen Luise und vergoß heiße Tränen. Da sprach der Vater: Als diese schöne Lilie hier noch eine junge Pflanze war und in einem Winkel des Gartens aufsproßte, nahm ich sie aus der Erde und unsere Luise ward darüber betrübt und sagte, es sei schade um das schöne Gewächs. Da aber die Lilie, an eine bessere Stelle verpflanzt, die Zierde dieses Gärtchens ward, freute sich Luise und dankte mir, daß ich die Blume versetzt hatte. Darum weine nicht, liebe Mutter, sondern freue dich vielmehr. Unsere Luise blüht ja nun, dieser Erde entnommen, im Paradiese.

Sie ward von Gottes Hand
versetzt ins bessere Land.


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