Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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64. Das Hufeisen

Ein Bauersmann ging mit seinem Sohne Thomas über Feld. Sieh, sprach der Vater unterwegs, da liegt ein Stück von einem Hufeisen auf der Straße! Hebe es auf und stecke es ein. – Ei, sagte Thomas, das ist ja nicht der Rede wert, daß man sich darum bücke! – Der Vater hob das Eisen stillschweigend auf und schob es in die Tasche. Im nächsten Dorfe verkaufte er es dem Schmiede für einige Pfennige, und kaufte für das Geld Kirschen. Beide gingen weiter. Die Sonne schien sehr heiß; weit und breit war kein Haus, kein Baum und keine Quelle zu sehen, und Thomas verschmachtete beinahe vor Durst. Da ließ der Vater, wie von ungefähr, eine Kirsche fallen. Thomas hob sie so begierig auf, als wäre sie Gold, und fuhr damit sogleich dem Munde zu. Nach einiger Zeit ließ der Vater wieder eine Kirsche fallen; Thomas bückte sich ebenso schnell darnach. So ließ der Vater ihn nach und nach alle Kirschen aufheben. Als Thomas die letzte verzehrt hatte, wandte der Vater sich lächelnd um und sprach: Sieh, wenn du dich um das Hufeisen ein einziges Mal hättest bücken mögen, so hättest du dich um die Kirschen nicht so viele Male bücken müssen. Erkenne daraus, wie gut und wahr das alte Sprüchlein sei:

Wer kleine Ding' nicht achten mag,
Hat oft um kleinre Müh und Plag.


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