Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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177. Der Schatzgräber

Es kam einmal in der Abenddämmerung ein fremder, seltsam gekleideter Mann, mit einem dicken Buche unter dem Arme und einem weißen Stäbchen in der Hand, zu dem Bauer Lienhard und sprach zu ihm: Ich muß Euch ein Geheimnis offenbaren. In einem Eurer Aecker liegt ein großer Schatz von Gold und Silber vergraben. Wenn Ihr mir den zehnten Teil davon geben wollet, so will ich den Schätz heben. Ihr könnt so mit einem Mal steinreich werden. Der Bauer willigte mit Freuden ein. Nachts um zwölf Uhr gingen beide, mit Schaufeln und einem Schiebkarren versehen, auf den Acker, gruben, ohne ein Wort zu reden, ein großes Loch in den Boden, fanden wirklich eine schwere Kiste, und brachten sie auf dem Karren glücklich in das Haus des Bauers. Der Schatzgräber besah nun die Kiste auf allen Seiten, berührte sie bald da, bald dort mit seinem Stäbchen, las dabei aus seinem Buche allerlei unverständliche Worte und schüttelte den Kopf. Endlich sagte er: wenn uns der Schatz nicht zu Kohlen werden soll, so müssen da, bevor wir die Kiste öffnen, ganz besondere geheime Mittel angewendet werden. Es hat sie aber niemand, sondern nur ein alter Apotheker zehn Stunden von hier und unter zwanzig Dukaten gibt er sie nicht her.

Der Bauer, der vor ein paar Tagen gerade so viele Dukaten für ein Pferd eingenommen hatte, zählte sie in der Freude seines Herzens dem Manne sogleich hin. Der Schatzgräber machte sich noch in der Nacht auf den Weg – und kam nicht mehr zurück. Der Bauer schlug nach langem Warten die Kiste auf und fand darin weder Gold, noch Silber, noch Kohlen, sondern lauter Kieselsteine aus dem Bach, der an seinem Acker vorbei floß. Dabei lag ein Zettel, auf dem die Worte standen:

Sieh, wie man durch Schatzgräberei
In Bälde reich – an Steinen sei.


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