Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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31. Der Goldstrauch

Der junge Eduard hatte seine Lust daran, die Leute zum besten zu haben. Einst schrieb er in seinem Zimmer einen Brief und hatte sechs neue Dukaten auf seinem Schreibtische liegen, die er in den Brief einschließen wollte. Emilie, sein kleines Schwesterchen, kam in das Zimmer, sah die blinkenden Goldstücke liegen und sagte: Bruder, wo wächst doch wohl das Gold? – Eduard sagte: Die Dukaten wachsen an dem Goldstrauche. Man steckt sie, wie die Bohnen, in die Erde; da werden große Sträucher daraus, die voll Dukaten hängen. Er schrieb eifrig weiter. Emilie aber nahm, ohne daß Eduard darauf achtete, die Dukaten, lief in den Garten und steckte sie in die Erde. Als er eben mit dein Briefe fertig war, kam sie wieder herein und sagte: Eduard, jetzt wirst du recht viele Dukaten bekommen; ich habe sie schon ausgesät. – Eduard sprang verdrießlich auf, nahm Emilie bei der Hand, eilte mit ihr in den Garten und sagte: sogleich sage mir, wo hast du die Dukaten hingesteckt? – Allein entweder wußte das Kind das rechte Plätzchen nicht mehr zu finden, oder einer der Taglöhner, die in dem Garten arbeiteten, hatte das Geld heimlich herausgenommen – kurz, die Dukaten waren verloren. Als der Vater die Geschichte vernahm, sprach er: Eduard, du hast mit deiner Lüge die Strafe von sechs Dukaten wohl verdient. Emilie war freilich sehr einfältig, daß sie Dukaten aussäen wollte; du aber bist sehr boshaft, daß du immer Lügen ausstreuest!

Die Lügen sind ein böser Samen,
Aus dem nie gute Früchte kamen.


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