Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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14. Der große Birnbaum

Der alte Rupert saß im Schatten des großen Birnbaums vor seinem Hause, seine Enkel aßen von den Birnen und konnten die süßen Früchte nicht genug loben. Da sagte der Großvater: Ich muß euch auch erzählen, wie der Baum hierherkam, vor mehr als fünfzig Jahren stand ich einmal hier, wo damals ein leerer Raum war und wo jetzt der Baum steht, und klagte dem reichen Nachbar meine Armut. Ach, sagte ich, ich wollte gern zufrieden sein, wenn ich mein Vermögen nur auf hundert Taler bringen könnte. – Der Nachbar, der ein kluger Mann war, sprach: Das kannst du leicht, wenn du es recht anzufangen weißt, sieh, hier auf dem Plätzchen, wo du stehst, sind mehr als hundert Taler in dem Boden versteckt. Mache nur, daß du sie herausbringst. Ich war damals noch ein unverständiger junger Mensch und grub in der folgenden Nacht ein großes Loch in den Boden, fand aber zu meinem Verdrusse keinen einzigen Taler. – Als der Nachbar am Morgen das Loch sah, lachte er, daß er sich beide Seiten hielt und sagte: O du einfältiger Mensch, so war es nicht gemeint. Ich will dir aber jetzt einen jungen Birnbaum schenken. Den setze in das Loch, das du gemacht hast, und nach einigen Jahren werden die Taler schon zum Vorschein kommen.

Ich setzte den jungen Stamm in die Erde. Er wuchs und wurde der große, herrliche Baum, den ihr hier vor Augen seht. Die köstlichen Flüchte, die er nun seit vielen Jahren her getragen hat, brachten mir schon weit mehr als hundert Taler ein, und noch immer ist er ein Kapital, das reichliche Zinsen trägt. Ich habe deshalb das Leibsprüchlein des klugen Nachbars nicht vergessen; merkt es euch auch:

Den sichersten Gewinn
Bringt Fleiß und kluger Sinn.


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