Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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163. Der barmherzige Reiche und der dankbare Arme

Der arme Taglöhner Thomas betrachtete an einem kalten Wintermorgen das wenige Holz, das er unter dem Vordache seiner Hütte aufgeschichtet hatte. Ach, mein Gott! sprach er schmerzlich zum Himmel blickend. Die Kälte nimmt immer zu, und mein Holz immer mehr ab. Ich werde damit nicht ausreichen. Erbarme dich doch meiner, lieber Gott! Von diesem Tage an nahm das Holz nicht mehr ab, und Thomas dankte Gott für diesen wunderbaren Segen. – Gott hatte es so gefügt, daß Andreas, der Sohn der Nachbarin, einer reichen Witwe, den Kummer und den Blick des guten Thomas bemerkt hatte. Von dieser Zeit legte Andreas, mit Gutheißen seiner Mutter, zur Nacht immer so viele Scheiter auf den Holzstoß, als Thomas bei Tage weggenommen hatte. Thomas sah dieses einmal in einer mondhellen Nacht. Andreas trat im nächsten Frühlinge seine Wanderschaft an. Als er nach etlichen Jahren im Herbste zurückkam, besah er seinen großen Baumgarten, den er nicht im besten Zustande verlassen hatte, indem zwar viele Bäume darin standen, aber nur schlechtes, ganz gemeines Obst trugen. Allein jetzt prangten alle Bäume mit den auserlesensten Aepfeln, Birnen und Pflaumen. Wie kommt das? rief Andreas erstaunt; mich dünkt es sehr wunderbar. Die Mutter erzählte ihm, daß der arme Nachbar für die Holzscheite, die ihm so heimlich mitgeteilt worden, edle Zweige auf die Obstbäume gepfropft habe. Andreas eilte sogleich zu ihm, bezeigte ihm seine Freude über die Veredelung der Bäume und forderte ihn auf, in jeder künftigen Not sich an ihn zu wenden. Denn, sagte er, gegen einen so dankbaren Mann kann man nicht wohltätig genug sein.

Ihr Reichen, habt mit Dürftigen Erbarmen;
Seid dankbar, ihr erquickten Armen.


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