Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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143. Der gute Sohn

Anton war Lehrling, sein Vater aber Handlungsdiener in einem ansehnlichen Handlungshause. Der Vater mußte in Geschäften des Kaufherrn eine Reise über das Meer machen. Da kam die traurige Nachricht, das Schiff sei von Seeräubern weggenommen worden; wo aber Antons Vater hingekommen, konnte man nicht erfahren. Anton vollendete seine Lehrjahre treu und redlich, ward dann selbst Handlungsdiener und erwarb sich durch Fleiß und Geschicklichkeit einiges Vermögen.

Endlich vernahm er, sein Vater befinde sich als Sklave in der Türkei, und er entschloß sich augenblicklich, ihn zu befreien. Er zog all sein erspartes Geld ein, verkaufte seine besten Kleider und alles, was er sonst an Geldeswert hatte, verdingte sich, um die Kosten der Fahrt über das Meer zu verdienen, als Schiffsknecht, kam zu dem reichen Türken, dessen Sklave sein Vater war und erbot sich, seinen Vater loszukaufen.

Allein der Türke forderte eine so große Summe Geldes, daß alles, was Anton mitgebracht hatte, nicht zur Hälfte hinreichte. Nun denn, sprach Anton, so nimm mich anstatt meines Vaters als Sklaven an. Ich bin jung, und kann dir mehr Dienste leisten, als mein Vater, der bereits alt ist. Auf Befehl des Türken kam der Vater, fiel seinem Sohne erstaunt um den Hals, und beide weinten heiße Tränen. Als der Vater aber hörte, sein Sohn wolle für ihn Sklave werden, weinte er noch heftiger, und wollte es durchaus nicht zugeben. Der Sohn aber sprach unter Tränen: O liebster Vater! Ich bin nicht nur bereit, für dich die Sklavenkette zu tragen, sondern selbst das Leben zu geben. Nimm das Lösegeld, das ich mitbrachte, zum Reisegeld, und lebe wohl! Da wurde der Türke bis zu Tränen gerührt, und sagte zu Anton: Du bist ein treuer, edler Sohn! Ich schenke deinem Vater die Freiheit unentgeltlich, und gebe dir so viel Geld, daß ihr beide ein eigenes Handelshaus errichten könnet. Denn du, lieber Anton, hast gehandelt, wie ein guter Sohn nach Gottes Willen sich gegen seinen Vater betragen soll.

Ein gutes Kind wird selbst das Leben
Aus Liebe für die Eltern geben.


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