Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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50. Die Tauben

Emmerich und Leopold, zwei muntere Knaben, waren Nachbarn. Der reiche Emmerich hatte mehrere schöne Tauben, der arme Leopold aber nur einige wenige von der gemeinsten Art. Eines Tages flog von Emmerichs Tauben ein Paar hinüber in Leopolds Schlag und fing an, hier zu nisten. Der arme Leopold dachte: wie glücklich wäre ich, wenn diese Tauben mir gehörten! Sie sind so blendend weiß, wie Schnee, Scheitel und Schweif aber so glänzend schwarz, wie Kohlen. Von allen Tauben Emmerichs gefallen mir gerade diese am besten. Es kam ihn die Lust an, sie zu behalten und einzusperren. Aber, nein! sagte er; das darf ich nicht; das wäre ja Sünde. Ich will die Versuchung dazu überwinden. Er schloß den Schlag, fing die Tauben und brachte sie dem Emmerich. – Emmerich hatte über die Ehrlichkeit des armen Knaben große Freude, nahm bald darauf die ersten Eier, die er von den schönen Tauben erhielt, schlich sich damit heimlich in Leopolds Schlag und legte sie einer gemeinen grauen Taube anstatt der ihrigen unter. Als nun die Jungen aus den Eiern krochen und Federn bekamen, war Leopold höchst erstaunt, daß sie gerade so schön weiß und schwarz wurden, wie Emmerichs schönstes Taubenpaar. Er eilte voll Freude zu Emmerich und verkündete ihm das vermeinte Wunder. Emmerich lächelte, erzählte, daß er die Eier ausgewechselt habe, um gegen den ehrlichen Leopold sich erkenntlich zu bezeigen und sagte am Ende der Erzählung: Bleibe immer so ehrlich, lieber Leopold. Denn:

Des Höchsten bester Segen ruht
Auf dem, der niemals Unrecht tut.


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