Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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11. Die Kirschen

Sabine, die Tochter reicher Eltern, hatte ein eigenes, sehr niedliches Zimmer; allein es sah darin sehr unfreundlich aus. Denn sie räumte es nicht auf, und alle Ermahnungen ihrer Mutter, das Zimmer besser in Ordnung zu halten, waren vergebens. An einem Sonntag Nachmittag war sie eben mit dem Ankleiden fertig geworden und wollte ausgehen. Da brachte ihr die Tochter des Nachbars ein Körbchen voll großer schwarzer Kirschen. Weil nun gerade Tische und Fenster voll von Kleidungsstücken und andern Sachen lagen, stellte Sabine das Körbchen einstweilen auf einen mit blauem Seidenzeuge überzogenen Sessel, und ging dann mit ihrer Mutter auf ein benachbartes Dorf spazieren.

Abends spät, da es schon dunkel geworden war, kam sie sehr ermüdet auf ihr Zimmer zurück und eilte sogleich einem Sitze zu. Kaum aber hatte sie sich gesetzt, so fuhr sie plötzlich wieder auf und tat vor schrecken einen lauten Schrei. Denn sie hatte sich gerade mitten in das aufgehäufte Körbchen voll Kirschen gesetzt.

Die Mutter eilte auf den Schrei mit einem Lichte herbei. Aber was mußte sie sehen! Die Kirschen waren alle zerdrückt; der Kirschensaft floß von allen Seiten über den Sessel herab, und Sabinens neues Kleid von weißem Taft war so übel zugerichtet, daß es gar nicht mehr hergestellt werden konnte.

Die Mutter gab ihr aber noch überdies einen scharfen Verweis und sagte: Da siehst du nun, wie nötig es ist, aufzuräumen und jeder Sache einen schicklichen Platz anzuweisen. Du bist jetzt für deinen Ungehorsam und für dein unordentliches Wesen bestraft, beherzige künftig das Sprüchlein:

Wer nicht auf strenge Ordnung hält,
In Schand und Schaden leicht verfällt.


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