Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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3. Die Rosen

Ein Landmann, der auf einem abgelegenen Bauernhofe wohnte, brachte schon im Monat März einen Rosenstrauch aus der Stadt mit und pflanzte ihn in sein Gärtchen. Das kleine Gretchen hatte noch nie einen Rosenstrauch gesehen und sagte: Aber was machst du doch da, lieber Vater? Wie magst du doch diese dürren, dornigen Stauden gerade in die Mitte unseres schönen Gartens setzen? Diese Dornen sind eine schlechte Zierde; sie entstellen den ganzen Garten. – Warte nur zu, mein liebes Kind, und habe Geduld! sprach der Vater. Da wird dieser Dornstrauch so wunderschöne Blumen hervorbringen, dergleichen du in deinem Leben noch keine erblickt hast! – Gretchen wollte das nicht glauben und schüttelte bedenklich das lockige Köpfchen. Aber sieh da! Der dornige Strauch fing an auszuschlagen und bekam schönes dunkelgrünes Laub; zarte Knöspchen erschienen, die immer größer wurden; und nachdem alle Aurikeln, Tulpen und Narzissen verblüht waren, öffneten sich endlich die Rosenknospen und der Strauch prangte mit einer Menge von Rosen, über deren herrliche Purpurfarbe und ihren lieblichen Wohlgeruch Gretchen erstaunte. O wie schön! rief das Kind mehrmals; sie sind schöner als alle anderen Blumen. Der Rosenstrauch ist die schönste Zierde unseres Gartens. – Siehst du nun, mein Kind, sprach der Vater, wie aus den Dornen Rosen aufblühen? Du mußtest zwar den ganzen Frühling hindurch darauf warten und verlörest beinahe die Geduld. Aber nun erkennst du, wie wahr das Sprichwort ist: Die Zeit bringt Rosen, wie mit diesem Dornenstrauch, der Rosen bringt, so ist es auch mit den Widerwärtigkeiten des Lebens, die uns Freude bringen, wir müssen daher Geduld haben, denn

Aus den Dornen unsrer beiden
Kommen Rosen vieler Freuden!


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