Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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61. Das große Vogelnest

Ein mutwilliger, grausamer Knabe suchte in allen Hecken die Vogelnester auf und brachte die jungen Vögelein um. Vergebens warnte und bestrafte ihn sein Vater. Einst stach er voll boshafter Freude mit spitzigen Dornen einigen jungen Finken, die bereits fliegen konnten, die Augen aus und belustigte sich daran, wie die blinden Vögelein zu laufen und zu fliegen versuchten und nicht wußten wohin. Die Mutter kam dazu und sprach: Du gottloses Kind, denke an mich! Wenn du dich nicht besserst, so wird Gott dich gewiß noch strafen. Allein der böse Bube lachte heimlich über sie und machte es je länger, je ärger. Einmal an einem Sonntage ging er, anstatt in die Kirche, in den Wald, neue Grausamkeiten auszuüben. Da erblickte er auf einer hohen Eiche ein großes Vogelnest. Er kletterte sogleich hinauf, riß einen der jungen Vögel aus dem Neste, und warf ihn herab. Schon wollte er nach dem andern greifen, da kamen plötzlich die Alten, die grimmige Raubvögel waren, herbeigeflogen, und hackten mit ihren scharfen Schnäbeln ihm beide Augen aus. – Dem blinden Bösewicht ging es noch sehr übel. Er mußte nach dem Tode seiner Eltern betteln, und wenige Menschen hatten Mitleid mit ihm. Da rief er in seinem Elende oft laut aus:

O Gott, wie schrecklich wird's an dem gerächt,
Der gottlos dir zu trotzen sich erfrecht.


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