Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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55. Die Emmerlinge

Zwei Kinder aus dem Dorfe gingen zur harten Winterszeit der Mühle zu, und jedes trug ein Säcklein Korn auf dem Kopfe. Als sie an dem Garten des Müllers vorbeikamen, erblickten sie einige Emmerlinge, die hungrig auf der bereiften Hecke saßen. Die kleine Berta hatte herzliches Mitleid mit den kleinen gelben Vögelein. Sie öffnete den Sack, und streute ihnen ein paar Händchen voll Körner hin. Robert, ihr Bruder, zankte mit ihr und sagte: Du gutherzige Törin! Warte nur, du wirst gewiß weniger Mehl bekommen, und dann werden unsere Eltern dich deshalb bestrafen. Berta erschrak und sagte: Je nun, ich hätte das vielleicht nicht tun sollen. Indessen werden unsere guten Eltern mir meine Gutherzigkeit nicht übel nehmen, und Gott kann uns ja auf eine andere Weise dafür segnen.

Als die zwei Kinder wieder in die Mühle kamen, das Mehl abzuholen, siehe, da war in dem Sacke der mitleidigen Berta noch einmal so viel Mehl als in Roberts Sacke. Robert erstaunte, und Berta war sehr geneigt, dies für ein Wunder anzusehen. Allein der wackere Müller, der das Gespräch der Kinder dort an der Hecke gehört hatte, sagte zu Berta: Dein mitleidiges Herz gegen die hungrigen Vögelein hat mir so wohl gefallen, daß ich dir doppelt maß. Obwohl aber ich das Mehl in den Sack tat, so darfst du es dennoch als einen Segen betrachten, den dir Gott beschert hat, deine Gutherzigkeit zu belohnen.

Den guten mitleidsvollen Seelen
wird Gottes Segen niemals fehlen.


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