Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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148. Die gottselige Großmutter

Während des letzten Krieges gerieten die Bewohner eines einsam stehenden Hauses in große Aengste. Der Feind nahte sich mit einbrechender Nacht der Gegend. Der nächtliche Himmel erschien bald da bald dort, von Feuersbrünsten rot, wie Blut. Man hörte furchtbar schießen. Zudem war es Winter und das Wetter sehr kalt und stürmisch. Die guten Leute fürchteten, ausgeplündert und jetzt, zur rauhesten Jahreszeit von Haus und Hof verjagt zu werden. Nur die alte fromme Großmutter war getrost und guten Mutes im Vertrauen auf Gott. Sie las ihren Kindern und Enkeln aus ihrem alten Gebetbuche ein Gebet vor, in dem die Worte vorkamen: Gott wolle eine feste Mauer aufführen, um die Feinde von dieser Wohnung abzuhalten. Einer ihrer Enkel, der andächtig zugehört hatte, meinte jedoch, das Aufführen einer solchen Mauer sei gar viel von dem lieben Gott verlangt; um solche unmögliche Dinge solle man nicht beten. Die Großmutter sprach aber: Diese Worte sind nicht buchstäblich zu nehmen. Sie sollen bloß sagen, Gott wolle uns vor den Feinden so sicher beschützen, als wäre unser Haus von einer Mauer umgeben, wenn aber Gott auch wirklich zu unserem Schutze eine Mauer bauen wollte, meinst du denn, daß es ihm unmöglich sei? – Indes ging die Nacht vorüber, ohne daß ein feindlicher Soldat sich ihrem Hause näherte. Alle im Hause wunderten sich darüber. Als sie aber sich morgens vor die Tür wagten, siehe, da war gegen jene Seite hin, wo die Feinde standen, der Schnee von dem Winde hoch wie eine Mauer aufgetürmt, so daß man gar nicht hindurchkommen konnte. Alle lobten und priesen Gott. Die Großmutter aber sagte: Seht, so hat Gott doch eine Mauer aufgeführt, die Feinde von unserer Wohnung abzuhalten. Er ist gnädig und barmherzig und unendlich reich an Mitteln, uns aus jeder Not zu erretten, wir wollen daher nie kleinmütig und verzagt sein. Ich wenigstens bleibe dabei:

Wer auf den lieben Gott vertraut,
Der hat auf festen Grund gebaut.


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