Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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145. Die ungleichen Brüder

1.

Der leichtsinnige Valentin nahm seinen jüngeren Bruder Philipp mit an den Fluß, stieg mit ihm in ein Schifflein und stieß vom Lande. Der reißende Strom warf das Schifflein an die Felsen, daß es in Stücke zerbrach. Valentin schwamm mühsam an den steilen Felsen umher, konnte aber nirgends daran emporklimmen; den Philipp riß der Fluß weit mit sich fort. Ein Fischer, der das Geschrei der beiden Knaben gehört hatte, lief herbei, sprang in das Wasser, schwamm mit eigener großer Lebensgefahr dem kleinen Philipp nach, erreichte ihn, brachte ihn glücklich an das Land, und freute sich unbeschreiblich, ihn gerettet zu haben.

Es wagt ein edler guter Mann
Für andre gern das Leben dran.

2.

Während der gute Fischer den Philipp aus dem Wasser herausholte, war Valentin ertrunken. Die Leute, die zusammengelaufen waren, sagten zu dem Fischer: Da du nicht alle beide retten konntest – warum hast du dein Leben daran gewagt, diesem zu helfen? Den andern hättest du ja ohne große Mühe und mit geringerer Gefahr aus dem Wasser ziehen können!

Der Fischer sprach: Der leichtfertige Valentin, der ertrunken ist, hat mir oft Fische und Krebse gestohlen und mir vieles an meinen Netzen verdorben; der gute Philipp hat mir, als ich wegen eines bösen Fußes lange nichts verdienen konnte, oft sein Abendbrot gebracht und mir manchen Kreuzer geschenkt. Wie hätte ich nun einen so guten Knaben nicht zuerst retten sollen!

Es bringt gar oft auf Erden schon
Das Böse Straf, das Gute Lohn.


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