Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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158. Der mutwillige Spötter

Andreas, ein blinder Jüngling, ging einst mit Hilfe seines Stabes sehr langsam und bedächtig aus der Kirche nach Hause. Lukas, ein mutwilliger Bauernbursche, spottete über ihn und rief: Wollen wir nicht miteinander eine Wette anstellen? Gilt's zehn Taler, ich laufe schneller, als du? – Der blinde Andreas sagte: Ja, es gilt – wenn ich einen Weg wählen darf, den ich kenne, und eine Zeit, die mir gelegen ist. – Lukas schlug sogleich mit Lachen ein und nahm alle Umstehenden zu Zeugen. – Der Blinde sagte: Nun gut! So wollen wir heute nacht um zwölf Uhr zur Wette in die Stadt laufen. – Mit dem zwölften Glockenschlage gingen sie ab. Die Nacht war sehr finster und der Weg führte durch einen dunkeln Wald. Andreas, welchem Tag oder Nacht einerlei war, erreichte noch vor Anbruch der Morgenröte die Stadt. Der spöttische Lukas aber verirrte sich im Walde, stieß bald den Kopf an einen Baumast, fiel bald über eine Wurzel, verwickelte sich bald in den Dornen, und kam erst in der Stadt an, als die Sonne bereits hoch am Himmel stand.

Er mußte die zehn Taler bezahlen, und jedermann sagte: Es ist ihm recht geschehen, und er hätte noch eine größere Strafe verdient.

Treib mit Unglücklichen nie Spott,
sonst straft dich der gerechte Gott.


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