Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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121. Das Wunderkästchen

Eine Hausfrau hatte in ihrer Haushaltung allerlei Unglücksfälle und ihr Vermögen nahm alljährlich ab. Da ging sie in den Wald zu einem alten Einsiedler, erzählte ihm ihre betrübenden Umstände und sagte: Es geht in meinem Hause einmal nicht mit rechten Dingen her. Wißt Ihr kein Mittel, dem Uebel abzuhelfen? – Der Einsiedler, ein fröhlicher Greis, hieß sie ein wenig warten, ging in die Nebenkammer seiner Zelle, brachte über eine Weile ein kleines versiegeltes Kästchen und sprach: Dieses Kästlein müßt Ihr ein Jahr lang, dreimal bei Tag und dreimal bei Nacht, in Küche, Keller, Stallungen und allen Winkeln des Hauses herumtragen, so wird es besser gehen. Bringt mir aber übers Jahr das Kästlein wieder zurück.

Die gute Hausmutter setzte in das Kästchen ein großes Vertrauen und trug es fleißig umher. Als sie den nächsten Tag in den Keller ging, wollte der Knecht eben einen Krug Bier heimlich heraustragen. Als sie noch spät bei Nacht in die Küche kam, hatten die Mägde sich einen Eierkuchen gemacht. Als sie die Stallungen durchwanderte, standen die Kühe tief im Kot, und die Pferde hatten anstatt des Habers nur Heu und waren nicht gestriegelt. So hatte sie alle Tage einen andern Fehler abzustellen. Nachdem das Jahr herum war, ging sie mit dem Kästchen zum Einsiedler und sagte vergnügt: Alles geht nun besser, Laßt mir das Kästlein noch ein Jahr; es enthält gar ein treffliches Mittel. – Da lachte der Einsiedler und sprach: Das Kästchen kann ich Euch nicht lassen? das Mittel aber, das darin verborgen ist, sollt Ihr haben. Er öffnete das Kästchen, und sieh, es war nichts darin, als ein weißes Blättchen Papier, auf dem geschrieben stand:

Soll alles wohl im Hause stehn,
So mußt du selber wohl nachsehn.


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