Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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165. Der arme Prinz

Ein Prinz flüchtete sich zur Zeit des Krieges vor dem Feinde und nahm niemand mit sich, als einen einzigen alten Diener. Um nicht erkannt zu werden, waren beide gar nicht kostbar, sondern nur sehr einfach gekleidet. Eines Abends spät kamen sie nun zu einem abgelegenen Bauernhofe im Gebirge und blieben da über Nacht. Der Prinz konnte aber nicht schlafen; es war ihm bange vor dem Feinde, und überdies ging ihm das Geld aus, mit dem er sich in der Eile nicht hinreichend versehen hatte. Er stand daher in der Nacht auf, kniete in der einsamen Kammer nieder und betete lange im stillen. Da ihm das Herz gar so schwer war, so sagte er einmal mit einem tiefen Seufzer und lauter Stimme: O Gott, erbarme dich eines armen Prinzen! – Diese Worte hörte der Bauer und sprach am Morgen zu dem Bedienten: Ich weiß, Euer Herr ist ein Prinz; sagt mir doch, warum er so traurig ist! – Der Bediente gestand die Wahrheit und bat, den Prinzen nicht zu verraten. Als nun der Prinz abreisen wollte, trat der Bauer ehrerbietig und mit Zähren in den Augen in die Kammer und sprach: Lieber Prinz! Ihr nächtliches Gebet hat mir Ihren Kummer entdeckt. Erweisen Sie mir die Gnade, und nehmen Sie diese zwanzig Goldstücke, bis Sie wieder in bessere Umstände kommen. Auch will ich Ihnen einen Weg zeigen, auf dem Sie bald in Sicherheit sein sollen. – Der erstaunte Prinz dankte dem edelmütigen Bauern – noch mehr aber Gott, der, ohne Wunder zu tun, fromme Gebete wunderbar erhören kann. Der Prinz langte glücklich bei einem verwandten Fürsten an, ward in der Folge ein großer Feldherr und ersetzte dem braven Lauern das Geld zehnfach.

Bet' recht von Herzen in der Not,
So rettet dich der liebe Gott.


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