Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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59. Der Kuckuck

1.

An einem lieblichen Maimorgen gingen Jörg und Michel in den Wald; da ließ sich der muntere Kuckuck das erste Mal hören. Das ist ein Glücksvogel, sagte der abergläubische Jörg, sein Ruf verkündet mir Glück; zum wenigsten eine Tasche voll Geld. – Warum denn gerade dir? sprach Michel, der ebenso abergläubisch war. Ich sehe nicht ein, warum du bei dem Kuckuck höher in Gnaden stehen solltest, als ich. Ich bin wohl noch besser als du, und ich behaupte, mir verkünde er Glück.

Anstatt sich des schönen Morgens zu freuen, fingen sie nun an zu streiten; vom Zanken kam es zu Schlägen, und zuletzt liefen beide, übel zugerichtet, im größten Zorn auseinander.

Eigennutz und Aberglauben
Können jede Lust uns rauben.

2.

Beide verwundete Knaben kamen bei dem Wundarzte wieder zusammen. Unter dem Verbinden erzählten sie ihm, wie der Streit angegangen sei, und fragten ihn, welchem von ihnen beiden wohl der Kuckuck ein Glücksvogel sein möge. Der Wundarzt aber lachte und sprach: O ihr Toren! Keinem von euch beiden – sondern mir. Denn euch beide hat der Kuckuck mit blutigen Köpfen nach Hause geschickt – mir aber schafft er Geld in die Tasche.

Ein Streit wird immer beide reuen,
Und oft den dritten nur erfreuen.


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