Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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92. Der Mond

Vater Hermann war morgens mit seinem kleinen Fritz in die Stadt gegangen; die Mutter und die kleine Thekla gingen ihnen abends entgegen. Es ward ziemlich spät, bis sie einander endlich begegneten. Die Mutter sagte, sie habe schon angefangen zu sorgen. Allein Fritz sprach: Es hatte keine Gefahr! Der Mond dort über den waldigen Bergen leuchtete uns auf das freundlichste und ging uns von dem Stadttore an bis hierher immer getreulich zur Seite. – Thekla sagte: Auch uns hat er von unserer Haustür an bis hierher beständig begleitet! – Fritz rief: Das glaube ich nicht! Wie könnte der Mond zu gleicher Zeit den Weg von der Stadt zum Dorfe und von dem Dorfe zur Stadt machen? Kann er zugleich vorwärts und rückwärts gehen? Ich könnte es einmal nicht. Kurz, es ist unmöglich.

Der Vater sprach: Lieber Fritz! Was dir unbegreiflich scheint, begreife ich sehr wohl. Ich könnte es dir auch erklären; allein mit deinem kleinen Verstande würdest du die Erklärung noch nicht fassen. Die Sache muß dir also vorderhand noch ein Geheimnis bleiben. Indes mag der schöne, freundliche Mond, dessen Wandel am Himmel du nicht begreifst, dir die gute Lehre geben: Da es schon unterm Monde viele Sachen gibt, die wir nicht begreifen, so darf es uns nicht wundern, daß es auch über dem Monde einige solche gebe. Manches ist uns in unserer heiligen Religion unbegreiflich, allein bloß unser beschränkter Verstand ist schuld daran.

Mit gutem Grunde glaubt ein Christ
was ihm ein heiliges Geheimnis ist.


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