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Das himmelgetürmte New York

Fort von des Niagaras weißem Wasserstrauß und seinem donnernden Hammerschlag war ich an einem Tag am letzten Ozean,
Wo schon, halb wie zu Haus, das himmelgetürmte New York lag. In dieser Stadt, die wie ein Riesenhexenwerk, ich spät im Abend aus dem Bahnhof trat.
In breiten Straßen schien mir plötzlich für einen Menschen so viel Massenraum entstanden, als hätt' ich eine Beineschar, Arme so viel wie an dem Haupt mein Haar.
Breit und in die Höhe ohne Ziel die Luft voll Häuserflächen war und der Myriaden Fenster Flammenspiel. Scheinwerfer künstlich Tag in grellen Stücken
Wie weiße Brücken durch die Himmelsnacht hinrücken. Und drunter, goldenbraun, gleich Flächen Goldpapier, baun sich die Häuserfronten glänzend, unwirklich schier,
Aus tausend Fenstern tausend Lichter sendend, in höchster Wolkenhöhe noch nicht endend. Und dieser Fenster glitzernde Myriaden
Und die millionenfachen Mauerräume, die sich in weiter Nacht aufmachen, sind wie Facettenaugen großer Fliegen, vergrößert unter Riesenlupenlinsen.
Die Straßen alle droben ohne Himmel liegen. Die Häuser haben sich zum Unsichtbaren hoch verstiegen, wie Prismenhaufen wuchern ihre Scheibenscharen.
An dem Manhattansquare, in dem gigantischen Hotel, sich Lift bei Lift schnell hißt, als ob die Welt verschiebbar und versenkbar ist.
Zu meinem Zimmer dröhnt noch in der Mitternacht von Autohupen eine wilde Jagd. Am Square ragt die scharfe Messerschneide des riesigen Flatironhauses her.
Dies Eckhaus ist so schmal gefalzt, als wär es nur aus dünnem Stahl, ganz flach gewalzt, und ohne Ende ragt es in die Nacht.
Der Asphaltplatz liegt drunten braun, in Goldlichtpracht, und andre Häusersäulen schlagen sich mit Steinsatz über Steinsatz auf, gleichwie getürmte Türme,
Wie Riesentunnel, die sich steil hinauf, tief in den Nachtschlot, wagen. Und mit irrsinnigem Gestürme jagen Schatten am platten, spiegelnden Asphalt,– die Pferde und die Autos wie die Ratten.
Mein Auge aus den siebzehn Stöcken des zwanzigstöckigen Gebäudes schaut. Und nur Signale werden draußen aus jener hellen Tiefe laut.
Mir ist, als liegt Europa vor der Türe, weil ich den Ozean nahe spüre und nichts mich von Europa mehr jetzt trennen kann, als nur ein paar Kubikfuß salzigen Wassers, –
Fünf Tage nur auf einem Ozeankahn. In meinem Zimmer seh ich Licht und Heizung, Bad und Lift zur Hand,
Doch das ist nicht genug: gleich einem »Tischchen decke dich« an einer Wand sich eine runde Scheibe Glas mit einem Zeiger dran befand.
Unter dem Glase stand gedruckt, was alles nur dein Wunsch und Wille. Du hast den Zeiger nur auf einen Namen hingeruckt,
Und augenblicklich hat die Wunscherfüllung Einzug dann gehalten durch deine Tür in lebenden Gestalten.
Speisen, gewürzte, fette; Bankier und Goldarbeiter; und Operabillette; Pferde für jeden Reiter; und Reisetickets um die Erde
Erschienen auf die winzigste Gebärde des Zeigers, den du sacht gedreht. Kaum, daß er auf dem Wort über der Glasscheib steht,
Kaum einen Druck auf einen Klingelknopf im Mittelpunkt, und wie ein Spuk bringt dir ein Groom das Wort, das du genannt,
Von kleinster Briefmarke hinauf bis zu dem größten Elefant. Es zaubert hier elektrisch ein Gigant, der tausend Fäden Draht in allen Mauern um dich spannt.
Und alle Waren, die du dir erbeten, rund aus den Läden der Millionenstadt, von ihren Clerks gebracht, zu dir ins Zimmer treten.
Du liegst im Sessel voller Ruh, nickst nur, stellst dir den Zeiger ein und rufst: »Herein«; schüttelst als »Nein« den Kopf dazu, wenn schon der Wunsch veraltet,
Eh er sich in der Türe mit Blitzesschnelle dir gestaltet; du rührst dich nicht von deiner Stelle, die weite Welt kommt hier, auf einen Klingeldruck,
Mit einem Ruck hin über deine Schwelle. –
Nur ach, ein Herz, das einzige, das dein, wenn es sich weit von dir getrennt, das ruft auch kein Gigant herein, nennt er auch alle Kräfte und alle Drähte sein.
Mit einem Kopfe, wie zertrümmert von allen Wünschen, deren keiner mich gekümmert, schlief ich hier vor der Scheibe ein.

 


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