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Tibetanische Straßen

Oft an den Wegen in Darjeeling kommen dir tibetanische Weiber springend entgegen,
Lebhaft auf dich mit Gebärden und Gesten eindringend und mit berggesunder Stimme laut singend
Und silberne Schmuckstücke, silberne Türkisenringe zum Verkauf vor dir schwingend.
Sie verlassen dich nicht und rennen neben deinen sechs Wagenfahrern immer durch die Straßen.
Manchmal ihr Gesicht dicht bei deinem Gesicht, nennen sie dich mit allen Schmeichelnamen
Und kramen alles, was sie haben an Ringen und Ketten, hervor;
Reißen die Ringe vom Ohr, bieten den Ring an der Hand, knüpfen die Armbänder auf,
Verfolgen deinen Weg unter Späßen und Geschnauf, bergab und berghinauf.
In grobem Sack und Fellen, breitknochig und schlitzäugig, stellen sie dir nach
Und bellen den Fremden an mit den hundert Himalajahunden, die sich am Weg eingefunden.
Und ich hab' dabei empfunden: Hunger reißt sich den Schmuck vom Leib,
Und Hunger bellt wie ein tibetanisches Weib.
Immer keuchen und schieben sechs Tibetaner deine Rikscha auf den Darjeelingwegen
Und fegen mit dir hin in langen Stunden auf den Bergstegen,
Zwischen hölzernen Sommerhäusern und um Abhänge gewunden.
Schwitzend und zerschunden, legen die bezopften Kerle Meilen mit deinem Wagen zurück.
Und du fühlst grausam des Goldes einfältiges Glück, das den einen vorwärts bringt Stück um Stück,
Bequem sitzend, indessen aus sechs Kulilungen der Atem ringt
Und der Hunger die Lungen zum Dienen zwingt.
Hunger im Magen und Hunger im Herz, beide jagen vorwärts den Lebenswagen.

 


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