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Schloß Amber

Auf einer weiten Straße, zwischen verstaubten Feldern und Erdbreiten,
Säumen die bleichen Stämme von Öl- und Feigenbäumen den Weg; Frühwinde kämmen alte Tamarinden;
Man sieht ein breites Flußbett ohne Wasser sich zwischen Hügeln winden,
Und Staublawinen überschwemmen die Elefanten hoch bis zu den Zügeln.
Verfallen liegen an der Straße in Gärten, die dem Unkraut dienen, luftige indische Ruinen,
Ein ehemalig Schloß der Königinnen, mit toten Dächern und verfaulten Mauern und mit zerbrochenem zierlichem Getürm,
Ein Schloß jetzt für die Schlangen und 's Gewürm.
Geradeaus, als wäre sie ein ewig langes Stück gebleichter Leinewand,
Stand in der Sonne weiß die Straße und stieg ins bergige Land, wo sich ein anderes Schloß, Schloß Amber, fand.
Hinter dem ersten Berg erscheint es auf dem Felsengrat,
Im Talschoß tiefer liegt Amber, die Stadt.
Nur Licht und Schatten leben in den Gassen und Eidechs' nur und Ratten,
Sonst wie ein Haufen Bienenkörbe, der verlassen, ragen die weißgewölbten Häusermassen.
Das helle Schloß, aus weißem Stein geschnitten, steht auf dem Berg, wie mitten im Meer auf einer Welle,
Als wär' es im Blau ein weißes Schiff, am Felsen aufgefahren, hängend an einem unterseeischen Riff.
Gezähmte Elefanten traben den Weg hinauf, der eingezäunt mit Zinnen,
Und sie verschwinden in den Mauern drinnen.
Unendlich weiß und groß liegt hinterm weißen Tor ein weißer Hof,
Wo dich die weißen Treppen hinauf zu weißen Dächern bis zu dem blauen Himmel gehen heißen.
Die blendend weißen niederen Gemächer gleißen von Mosaiken aus kleinen Spiegelstücken,
Und blaue Berge stehen in den Fensterlücken.
Sogar die Schatten in den Zimmern sind weiß getönt, das ganze Schloß ist wie vom Weiß verwöhnt.
Tür aus, Tür ein immer das weißeste Gestein. Ich kam mir vor wie Stubenfliegen,
Die hilflos in den weißen Tassen auf weißem Rahme liegen.
Alle Begriffe lassen dich versinken, du mußt in dieser weißen Welt ertrinken,
Nichts wußte mein Verstand bei jeder weißen Wand mit all den weißen Hallen zu beginnen.
Da dacht' ich mir in dieses weiße Haus, auf diese weißen Zinnen Fest, Feier, Becher, Mahl,
Nächte, wo aus dem Ambertal Geleier der Zikaden steigt um den uralten Weiher,
Nächte zum Minnen, wo Menschen sich auf Menschen warm besinnen;
Ein Frauenblick, grübelnd gesenkt auf diese Diele weiß von Mosaik;
Nachtfalter, die sich durch die Gitter stahlen, und des Mondes blaue, bewegliche Splitter;
Halbwach der Papageien Schwätzen und Schnäbel wetzen an ihren Ketten und der Affen Pfiffe vom Dach.
Auf den Flittern von feinen Kissen steigt mit hohen Beinen eine der großen behaarten Spinnen,
Die den Morgen wittern und mehr als die Zukunft das Ende wissen.
Schicksale können dem Schicksal nicht entrinnen. Wenn auch die Augen am Boden sinnen,
In die sich kein Traum gesellt. Das weiße Schloß stand bei Tag und bei Nacht
Wie in keinem Raum und in keiner Welt. –
Endlich kam ich in ein Gemach, da hockten indische Arbeitsleute
Und malten die weißen Ranken und die weißen Vögel mit weißem Gips neu nach.
Sie saßen fleißig in Gedanken und brauchten ihre Hände,
Und plötzlich versanken das Schloß und die Wände und das indische Wunder,
Alles mystische Weiß war bloß Kalk und Plunder.
Als die Maler ihre Hände in den Gips eintauchten,
Verrauchten das weiße Geblende und die Wolken alle,
Und das Schloß wurde wieder zur kalkigen, irdischen Halle.
Als meine Augen sich wieder zum weißen Eingangshof wandten,
Brannten im Sonnenschein dort die purpurnen Decken auf den breiten Rücken der Elefanten.
Bunter, dacht' ich, wirkt Leben doch in jedem Falle, erlebt man es nicht stets in weißer Wolkenhalle.
Und ich ritt, wie auf einem lebendigen Erdenkloß, auf dem Elefantenkoloß hinaus zum Schloß.

 


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