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Hinfahrt durch die Gärten von Rangoon zur Shwe Dagon-Pagode

Nicht nur der Sule Solay-Pagode, die am Wege lag, galt meine Fahrt an diesem Nachmittag.
Ich wollte zu dem Wunder kommen, von dem ganz Indien widerhallt,
Zur Shwe Dagon-Pagode vor der Stadt, die einen hohen Ruf an Pracht und Herrlichkeit
Gleich einer vielgerühmten Frauenschönheit hat.
Die gleich dem Taj Mahal ein Denkmal indischer Phantasie und Baukunst offenbart,
Wo dir dein Aug' vor Staunen zum Edelstein erstarrt, tritt es in die Pagode ein,
Und will sich mit dem reinen Golde dort vereinen.
Wo Künstlerseelen dich entzücken, die hier aus Schnitzereien und Juwelen,
Um eine goldene Pagode auszuschmücken, scheinbar den Göttern selbst die Träume stehlen.
Der Weg dorthin führt durch die Gärten von Rangoon, wo man die Haltung edler Bäume wie einen Festzug spürt,
Und wo der rosig blühenden Akazie wiegende Gebärde ist, die sich die Luft zum Tanzplatz hier erkürt;
Und Frühlingsbüsche brennen gelb und rot, und Wohlgerüche bauen sich darum
Wie unsichtbare Heiligenscheine über geschmückte Götterfrauen.
Zierliche Häuser, wie Altanennester, stehen von Schlingpflanzen bekleidet,
Als trügen sie buntseidene Gewänder, und violette, feuergelbe, scharlachne Blumenfahnen wehen
In jedem luftigen Stockwerk vom Geländer.
Stahlblau sind alle Gärten hier zu sehen, und nur, wo Sonnenstrahlen die Palmenblätter wie mit Ruten gerben,
Als ob dort mächtigste Smaragde glühn, erscheint der Garten stückweis' grün, wie überstreut von grünen Scherben.
Als zögen Pferd und Wagen unter bemalten Galerien hin, unter geblümten und gestreiften Zelten,
Unwirklich, wie gewebt, beschauen dich die farbigen, fremden Blütenwelten.
Du weißt nicht: bist du hier bei Feuerdrachen, die mit den Funken in den Zähnen drohen,
Oder ist alles nur ein Spuk und Hohn und will dich jählings schnell verlachen?
Du wirst vielleicht, wie unter einem Alb, in grauer Öde gleich darauf erwachen.
Manch Baum hat sich ein Tierfell umgehängt, ist wie die Jaguarhaut mit Blüten gelb und braun besprengt,
Und andere wie Goldfasanenfedern, und andere rote hängen welk, verdumpft,
Wie tote Häute eingeschrumpft und ledern. Und Linien von Karmin ziehn an den Stämmen flink herab,
Als strich' die Abendsonne dort ihr Feuer ab.
Doch Grazie ist die Geste aller Palmenkronen und der Lianenstränge und der Äste,
Die alle, wie zu einem Tanz und einem Feste im Himmel, wie in einem Ballhaus wohnen.
Wenn auch das Blütenwerk um dich, gleichwie Brokat, den Schiller von tausend wirr verschlungenen Seidenfäden hat,
Du fühlst die Luft deshalb nicht drückend und nicht übersatt, kein Chaos macht dich matt,
Es ist zierlichste Lieblichkeit in jeder Blume, jedem hingestreckten Blatt,
Und jede Blüte nimmt sich lachend Zeit und sieht ins Weltall wie ein Menschenleben, verantwortlich und breit.
Mir schienen im Gewimmel trotz aller Üppigkeit die Tropenpflanzenmienen
Tief unterwürfig vor dem Himmel, gleichwie die reichsten Frauenaugen,
Die gern dem Mannesherzen untertänig dienen.
Durch diese Gärten ohne Tageszeiten, die scheinbar irisfarbene Sonnenuntergänge
Und Sonnenaufgang stündlich um dich breiten, kommst du auf scharlachroten Wegen
Tief aus stahlblauen Laubgehegen zum Fuß des goldenen Dagontempels,
Der hoch auf einem freien Hügel die goldene Spitze zeigt,
Zu dessen Sitze man mehr Stufen, als Tage in dem Jahr sind, steigt.
Haushoch stehn an dem Treppenfuß beim Berggemäuer schneeig weiß zwei feierliche Ungeheuer
Und starren dort geradeaus, gleichwie mit einem Mönchblick ohne Gruß.
Auf Pratzen, wie zwei Löwenkatzen, sitzen die beiden Fabeltiere, die mächtigen Greifen aufrecht groß auf ihren Hintertatzen
Und zeigen Vogelfratzen statt Gesichter; einer ist ganz dem andern gleich,
Und beide wachen vor der goldenen Pagode Fabelreich, wie von dem Berg herabgestiegene Drachen.

 


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