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Die Kulibühne

Ich hatte gute Weile, gar keine Eile nahm sich das Theater.
Manchmal kam eine kühne Ratte über die Bühne und nagte zahm an einer Latte.
Stumm wiegen sich die Kulis rings um mich, und wie im Schlafe stiegen
Die Tabakswolken aus den Lumpenbündeln auf.
Dann kletterte ein Musikant hinauf über den Bühnenrand,
Er wand wohl eine Viertelstunde und mit gelassener Hand
Ein straßenlanges Turbanband mit Schwung ums Haupt.
Er hockte auf dem Boden vor einem kleinen Spiegelscherben, er nahm sich lange und unendlich Zeit,
Als müsse er vor Eitelkeit und vor Bewunderung gleich hier am Spiegel sterben.
Drei andere Musikanten gesellten sich zu ihm und stellten sich zur Schau an die Kulissen,
Die, teils Zimmer, teils Garten, teils Wolkenhimmel, ganz zerrissen,
Vom Staube grau, unkenntlich starrten. Ich wollte jetzt schon nicht mehr warten,
Da knarrten Klappern, einer schwang den Gong.
Langsam und unterirdisch klang Metall und Holz und Trommel,
Und auf der dunklen Bühne kam die Jenseitswelt in Gang,
Einstweilen mit Musik und Nasensang.
Trüb, ohne Vorhang, stand die Bühne offen, mit Vorhangstoffen wird hier nichts verborgen,
Vorhang sind für den armen Kuli vor seinem Blick die Arbeitssorgen.
Den Vorhang zieht ein jeder selbst zurück, gönnt ihm das Glück,
Sich Stück um Stück hier im Theater zu vergessen.
Auch ich bin mit den Kulis einen Augenblick
Wie im Nirwana sehnsuchtslos gesessen.

 


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