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Der Sphinxleib

Ich watete weiter durch Sand, und heiter und sorgenlos stand des Morgens Lichterspiel
Bis fern über den weiß gleißenden Nil. Der lag dort unter dem Sonnenballen,
Wie ein silbern Gürtelband, das meiner Liebsten entfallen.
Als haben große Vögel ihre Flügel in die Wüste eingedrückt, so reihten sich im Sand Hügel an Hügelwall;
Nicht weit von den breiten Pyramiden liegt ein Tierweib, der Sphinxleib, in einem Sandwellental.
Kahl, ein kauernder Fels, mit einem Gesicht, das trauernd starrt und hart nur noch mit Runzeln spricht.
Ein Weib, deren Leib, wie von der Liebe dort festgemauert, die Wüste selber noch überdauert.
Kein Aug', kein Mund, kein Ohr sieht aus dem Kopf mehr hervor;
Als ob sie, die alles gesehen, alles verschwiegen und alles gehört, kein Leben mehr stört,
Keinem Leben mehr traut und bei jedem Laut nur nach innen noch schaut.
Nur der Felsen, aus dem sie aufgebaut, und der Himmel, der über dem Felsen blaut,
Den beiden ist sie mild gesinnt, und dem Sand, der ihr wie eine lebende Haut um die Flanken rinnt.
Aber sonst liegt sie müde und will nicht viel, auf den Felsen gestützt, wie ein Puppenkopf abgenützt vom Spiel.
Und der Fels zieht Schicht bei Schicht, wie Falte an Falte, malte Gesteinlager durch ihr hager Gesicht.
Wie ein Weib, dessen Schönheit seit langem verweht und die ohne Schminken im Sonnenlicht steht,
Und doch möcht' sie nicht für immer versinken und ist im Verstauben noch immer zum Glauben an ihre Reize bereit.

 

Wem einmal ein Liebesblick nur geblinkt, der weiß nichts mehr vom Alter an seinem Leib,
Sieht immer die Liebe, die einst ihm gewinkt, auch wenn ihm jede Rippe hinkt.
Wunderbar versunken macht das Ewige im Leben.
Und Menschen, die einmal geliebt, sind unendlich vom Rausche ihrer Liebe trunken
Und groß und alterlos umgeben.

 


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