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Der Banyanbaum im Edengarten

Vorbei am Rasenpark und dem Palast des Vizekönigs, wo ohne Rast die Equipagen fuhren,
Kam ich ans Hafenviertel an den Hooglyfluß, wo Magazine, Märkte und Geschäfte stanken,
Wo Spiegelbilder von den Schloten und den Masten zum schmutzigen Fluß hinsanken;
Wo Eisenglieder einer Brücke über den Strom hinragen, in Kohlendunst Fabriken dröhnen,
Und in der weißen Tropensonne metallene Eisenkrähne stöhnen.
Fern draußen, hinterm krausen Dunst der Stadt, unter den Kokospalmen und Bananen,
Hausen bescheiden strohene Hütten, drüber sich grüne Sonnenschatten wie grüne Seidentücher schütten.
Dort liegt im reinen Himmel groß der Edengarten.
Gleichwie aus weißen Steinen steht die Königspalme als Säulengang in Reihen an dem Weg entlang.
Mein Wagen auf den purpursandigen Wegen, gleichwie in eine schattige Grotte, ins Grün des Gartens drang.
Und fremd entgegenstarrten die unbekannten Baumgiganten,
Als ob sie drohten und deine Augen dir verbrannten mit Blütenhaufen, scharlachroten.
Und sie behüten eine atemlose Stille. Kein Lufthauch rührt an diese schwülen, fleischigen Tüten.
Ihr Scharlach ist wie in die Luft gespieen, als sind die Blüten Zungen roter Tiere,
Die ihre Wollust aus dem Blätterdach in alle Lüfte schrieen.
Goldgelb, lila und scharlach, jeder Baum verschiedenes Licht dir bot,
Als ist der grüne Park wie von bengalischen Feuern bunt durchloht.
Tief in dem Garten stand ein Banyanbaum, der groß als grüne Wand vom Himmel auf die Erde schoß.
An jedem Aste fand sich Stamm bei Stamm, ein jeder Ast hat zu der Erde mit hundert Stämmen Wurzel schnell gefaßt;
Und hunderttausend Füße trugen des Baumes laubige Last.
Findest dort auf dem Rasenraum hundert mal hundert Bäume unterm Riesenbaum.
Kein Blick hat je den Riesen ganz erfaßt.
Du hast vor deinen Augen statt eines Baumes einen Wald; und wolltest jeden Stamm du buchen,
Du würdest müde bald, unter den Ästen allen den Anfang und das Ende von jenem einen Baum zu suchen.
Sein Hauptstamm ist zerstört wie nur Ruinenhallen und wie ein ganzes Haus mit Mauern wüst zerfallen.
Des Stammes Reste aber überdauern, stets weiter blühend, tausend Äste,
Und deren Blätter wachsen in den Tag hinein, voll Schatten, dunkel wie ein alter Hain.
Und zum Verirren groß steht dieser Baum, stammlos, und wächst mit seinen Ästen bloß. –
Reiß' Sehnsucht aus dem Herzen los, sie geht wie dieser Baum nie ein.
Sie wächst, mit Wurzeln aus der Luft, von neuem in den Leib hinein
Und ist, wie dieser ewige Banyanbaum, von neuem bald um dich ein Wald.

 


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