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Die Talipotpalme

Wie viele von uns sterben und waren nicht im Leben! Diese Worte hörte ich von den Scharen der Tropenbäume sprechen,
Die sich vor Kraft hier in den Gärten von Kandy zerbrechen. Schaft bei Schaft, schier wie grünes Getier,
Drängen sich die dicklappigen Blätter, die schlauchförmigen Zweige, vermengen sich die Zelte der Kronen zu einem einzigen Dache
Und hängen in der Luft wie große, grüne Lettern aus einer fremden Sprache. Die Tropenbäume, die nur immer lauschen,
Die nie geschwätzig ihr Leben verrauschen, sie leben unterm Luftdruck, wie Gummi, geschmeidig und still,
Als wüßten sie, wie Tiere gezähmt, schon voraus, wohin der Luftzug will. Dick mit Früchten und Blüten gebräunt zugleich,
Steht um den Kandysee das doppeltgesättigte Pflanzenreich. Und du hast im Tropenwald bald den Wirklichkeitssinn verloren,
Bist nicht unter Bäumen, bist wie von menschlichen, fleischlichen Wesen umgeben, fühlst, daß die Bäume ihre Glieder gebrauchen und wie Menschen damit leben;
Sehen wie Menschen auf dich nieder, nur daß sie mit tausend Händen in den Weltraum tauchen und ins Erdreich;
Sind Gestalten, die in den Regionen der verwesenden Erde und in den Lichtzonen wie zugleich im Tod und im Leben wohnen und walten,
Und sind unbegreiflich dem Kommen und Gehen, sie, die wie die Berge im Stillstehen mehr Wissen in sich vereinen
Und mehr sehen als die Menschen auf wandernden Beinen. Du kannst die Bäume hier besser als in der Heimat beachten;
Kannst sie, von der Tropenluft in allen Linien vergrößert, wie unter einer Lupe betrachten.
Ihre Ruhe hat tiefere Andachten, ihre Gesten gehören mächtigeren Blüten- und Fruchtfesten an,
Und du selbst gehst verkleinert an sie heran. Denn auch mit der Baumseele, die du sonst in der Heimat verstehst,
Sich deine Seele hier in den Tropen nicht messen kann. Höre als Beispiel der Talipotpalme Liebesgedicht:
Keiner von uns sieht dem Leben mit einer Seele von ihrer Herrlichkeit ins Gesicht. Die Talipotpalme hat fürs Leben nur Zeit
Bis zum Tag, da einmal goldgelbe Blüten ihr den Sinn der Liebe geben. Sie hat eine unerreicht göttliche Natur
Und findet das Leben lebenswert bis zum Augenblick der Liebe nur. Sie kennt keinen Frühling alljährlich,
Kennt nur einmal ein herrlich Erblühen, zeigt nur einmal dem Himmelsraum eine goldgelbe Blüte und will keinen größeren Lebenssinn.
Nach seinem einzigen Liebesfest stirbt der ganze gewaltige Baum wie ein überflüssiger Rest.

 


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