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Am Sarasuwa-Teich

Nicht weit von diesem Tempel, auf der Wiese hinab, liegt der Sarasuwa-Teich, der einer geliebten Frau einst den Tod gab.
Ein Hoffräulein liebte einst einen Kaiser von Japan; sie sah keinen andern als würdig für ihr Herz an, und für alle Freier, war einer noch so mächtig und reich,
Hatte sie nur Veracht. Macht und Reichtum waren ihr gleich, sie liebte allein den Kaiser, schmachtend und stumm.
Allmählich auf sie achtend, sah sich der Sohn der Sonne nach dem lieblichen Mädchen um; er winkte es heran,
Und das Herz schlug vor Liebeslust an, wie zu einer Andacht, wie ein Gebetsgong dröhnend, in jeder kaiserlichen Liebesnacht dem schönen Mädchen in der Brust.
Aber die Mächtigsten auf Erden verhöhnend, haben die großen Götter den großen Menschen selten beschert nur ein einziges Herz,
Und der Kaiser entließ das liebliche Kind, als er satt war vom Liebesscherz, und hat ihre Lieb' nicht geschont,
Denn in eines Kaisers unruhiger Brust eine Legion von Herzen wohnt, und jedes wechselt täglich mit dem andern ab in der Wollust.
Das zarte Mädchen, von seinem kaiserlichen Liebsten entthront, will nicht die Geschenke, nicht das Gold, womit sie des Kaisers Schatzmeister lohnt,
Das Hoffräulein läuft in die Nacht, totenbleich, an das Wasser vom Sarasuwa-Teich. Aber das Wasserreich erschrak, und, wunderbar, das Wasser wich eilig aus,
Und der Teich lag trocken im Mond, wie nur die trockene Diele in einem Haus, und des Teiches Stimme sagte dem Mädchen klar,
Daß, sie zu töten, im japanischen Reich kein Teichwasser elendig genug war. – Da öffnet die Trauernde, daß sie Ruhe fände, ihr schwarzes, gesträhltes Haar
Und legt es als Schlinge um ihren Hals und ließ ihre Hände zuziehen die Schlinge und starb lautlos und schloß sich an der Geister wesenlosem Ringe.
Und sie lag tot auf dem Teichgrund, der auch am nächsten Tag noch leer stund und noch kein einzig Tröpflein Wasser bot,
Bis man das Mädchen geholt und legte die Tote am Ufergras nieder; dann erst erschien tiefdunkel des Wassers Glas wieder aufsteigend mit altem Gefunkel.
Und von der Toten singen noch heut' am Sarasuwa-Teich unvergänglich die Lieder. –
Ich kam auf den nassen Wegen zu dem Teichschimmer, und immer noch reich tat der Regen zum Spiegel spritzen,
Der stand voll Wasserspitzen wie ein gesträubter Igel, und der Teich schien ein hartnäckig Wasser zu sein,
Denn er blieb noch finster im schwefelgelben Gewitterschein. –
Am Abend fuhr ich nach Kioto hinein, aber Nara hab' ich doch nie ganz verlassen, nicht den Zedernhain, mit den Steinlaternen und Rehen,
Mit den Tänzerinnen, die vor den Kirschenbäumen tanzend den Frühjahrsgöttern dienen. Ich kann, wann ich will, bei dem Riesen Daibuts während des Regens stehen;
Kann die schöne, leidenschaftliche Tote, lotosbleich, am Ufer vom Teich Sarasuwa sehen;
Alles, was in Nara geschehen, ich wohl in Gedanken für meine Liebste verpackt habe,
Als aller Weltwunder wunderlichste japanische Gabe.

 


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