Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Stein der Weisen

Kaufen wollt' ich meiner Geliebten ganz Kairo; in allen Basaren bin ich tausend Waren nachgelaufen.
Mit Messing und mit Kupfer, das die Buden füllt, wollt' ich mich beladen.
Und dacht' ich, bring' ihr rot und gelbe Schalen. Ihr Leib wird dann, enthüllt, sich in Metallen malen und wie in Feuern baden.
Und ich sah in den Läden Schleier aus Silberfäden und Seiden, die, wie Fischschuppen glänzend, Frauenbrüste umkleiden.
Wie wird meine Liebste vor den Frauen allen durch solchen Schleier, wie eine Weide in einem silbernen Weiher, strahlen,
Daß alle Spiegel mit ihrem Anschauen prahlen.

 

Sarazenenklingen zum blutigen Raufen, konnte man kaufen, die jeden Rivalen bezwingen;
Die konnte man kaum mit dem Leben bezahlen; die, will man sie in den Händen stark schwingen,
Durch einen Watthaufen glatt schneiden, wie durch der Männer Mark, und keinen Widerstand leiden.
Und macht der Tod dein Blut gerinnen, zerspringen diese edlen Klingen ohne Besinnen mit dem Herzen, dem sie dienen.
Und wie ich noch nachgedacht, was ich alles meiner Liebsten gern dargebracht, und darüber sann, da bot mir, am Markt, in einer Nacht
Ein Mann einen kleinen unscheinbaren Stein an. Mit Worten, geheimnisvollen und leisen, tat er den Stein mir preisen.
Sprach, daß er Kraft und Wunder wirken kann. Den Stein der Weisen tat er ihn heißen.
Denn jener Stein verschafft den Greisen im hohen Alter noch Liebeskraft.
Ich gab dem Mann Gold, soviel er gewollt, und hab' den Stein wie ein Kleinod mit um die Erde genommen.
Und ahnte nicht, was mir gedroht, und daß ich mir kaufte große Not. Ich dachte, der Stein sollte mir Begleiter ins Alter sein,
Wenn des Lebens Eiszeiten kommen. »Seine Kraft geht ins Mark, und du kannst darauf bauen,
Lieben kannst du mit der Macht von zwölf Männern zwölf Frauen,« sagte der Mann, der den Stein mir verschafft, im Vertrauen.
Und immer, wenn ich den Stein tat beschauen, erfaßte mich Grauen vor seiner Heidenkraft.
Doch da ich so weit von der Liebsten war, so nützte nichts der Stein uns beiden, er machte nur unglücklich ganz und gar;
Denn ich mußte jetzt für zwölf Männer leiden, und zwölfmal stärker ward ich heimgesucht von der Sehnsucht Wucht.

 


 << zurück weiter >>