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Das Geisterheer

Mein Ohr hat Tag und Nacht in Delhi vor Sturm gewacht und konnt' die Ruh' nie finden,
Stets heulte Aufstand und der Geist von einer Schlacht in dem Gejohl' von Winden.
Stets las ich Tafeln voll von toten Namen auf den Ruinenwegen,
Und hochgewachsen kamen finstere Indier, in ihren Mienen drohend, dir entgegen.
An einem Sonntagnachmittag, als im Hotel der Gäste Zahl zum zweitenmal zum Gottesdienst gegangen,
Hatt' ich die Post empfangen, Briefschreiben angefangen und saß in einem weißen Steingemach
Und sah dem untergehenden Tage nach.
Wind warf sich laut wie immer um das Dach, klagte und jagte in den Gängen, wild rauschend wie ein Bach,
Nachdenklich sah ich einem indischen Diener zu, der heizte im Kamin ein Feuer an mit königlicher Ruh'.
Im samtenen Schuh ging er mit nackten Füßen im Zimmer lautlos ab und zu,
Mit Turban und Kattunkaftan in gelb und roten Farben angetan.
Brachte die Lampe brennend und behutsam und sah die toten Dinge, gleichwie in alten Märchen, als seine Freunde an.
Wie er so ging und kam, da wurde auch des Windes wütendes Gesinge ein guter Geist.
Ich bin im Nachtsturm am Kamin fort in den europäischen Februar gereist.
Die Sonntagabendstille hat mir mein Herz zu einem Turm gemacht,
Ich stand hoch oben in der Nacht und sah nicht um, vom Geisterheer der Heimat stumm umkreist.

 


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