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Die armen Adenleute

Nun stand ich da und fühlte wieder Land und wühlte mit den Schritten in meterhohem Staub und nebelfeinem Sand.
Es war, als wollten mich die Füße bitten, doch jeden Schritt auch zu genießen, wie Schafe grasend auf den grünsten Wiesen.
Wenn man nach langen Tagen, nach tiefem Schlaf dem Schiff entkommen, wo beide Beine wie gefangen lagen,
Dann sind die Kniee noch beklommen und wagen nicht den Leib senkrecht zu tragen.
Es wurde mir vor allem lieblich klar, bei jedem Schritt konnt' ich jetzt sagen, daß ich auf selber Erde bei meiner Liebsten wieder war.
Als ob ich ihre Schritte wunderbar noch heute hören werde, so ging ich horchend hinter meinen Füßen mit.
Die Füße mir so wichtig heute schienen, sie, die sonst unbewußt und unbewundert dem Leibe selbstverständlich dienen,
Sie waren mir wie Leute heute mit allerhöchsten, feierlichen Mienen.
Und ich schien mir, als ob ich neben ihnen gar nichts bedeute.
So ging ich auf dem samtnen Staub, wo kein Geräusch erklang, als wär' ich taub,
Und dürr Gewölk sich in die Lüfte schwang.
Seltsame Häuser, klein wie Totengrüfte, standen in weißen Straßen hell entlang,
Als habe sie der Staub hierher geblasen. Alle die heißen Häuser strahlten, augenaussaugend, hellen Schein.
Mir war, als hörte ich von jeder dürren Schwelle das Wörtlein Wasser, Wasser schrein.
Im Hintergrund, über den blassen Häuserzellen, sah man in groben Massen den Kraterberg, rot, finster, ohne Grün und ohne Quellen.
Und durch die Straßen, die staubhellen, rannten, wie die Skelette von Verbrannten,
Die ausgedörrten und zu ewigem Durst verbannten, die armen schwarzen Adenleute, die keinen Schluck von frischem Wasser kannten.
Sie gingen nicht, sie flogen leicht, wie springend Wild, wie lange Schatten, an mir vorbei.
Sie hatten, Mann und Weib, wie Tote, ein weißes Linnen um den mageren Leib.
Als wär' ihr Fleisch zu Asche schon gebraten, als ob sie durch den eigenen Staub hinwaten,
So gingen diese hageren Menschen schwarz und stumm, in windgeblähten weißen Tüchern um.
Und vor den Häuserschwellen lagen, wie Bündel von gedorrten Fellen, Kamele auf dem Magen,
Und ihnen schien das Dursten längst nichts Neues mehr zu sagen und nicht der Sonne brütendes Geschwele.
Ich mußte mir in meinem Herzen klagen: es läßt sich in Gewohnheit selbst der Durst des Fegefeuers mit der Zeit ertragen.
Du sollst die Gleichmut wie ein Leichentuch um die verbrannten Glieder schlagen und mußt, wie Staub, nicht nach dem Regen fragen
Und deine Tage, bis ans End' der Erde, zum liebsten Wiedersehen aufrecht tragen.

 


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