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Nacht in Nagoya

Die Aprilnacht war kühl, als ich an den erleuchteten Theatern hinwanderte. Ich fand viel Menschengewühl, Verkaufsbuden, die zu Lottospielen einluden.
Warenrampen waren am Boden ausgebreitet; über altes Eisen, altes Porzellan und über Menschenhäute, die dort kramen, flackern offene Pechfeuer und Azetylenflammen;
Vor einem Haufen europäischer Strohhüte und Filzmützen kaufen die Menschen, eng im Gedräng' gedrückt; denn der Mann, der mit einem Hammer die Hüte und alte Sachen versteigert,
Entzückt die Leute mit Witzen und Lachen. Große Balkengerüste von roten Tempeltoren stehen düster am Mondhimmel mitten über dem Menschengewimmel.
Ich bin an den farbigen Theaterbuden und Garküchenzelten vorbeigeschritten und kam in Gassen ins Halbdüster. Da waren vergitterte Holzrampen;
Da war Geflüster in offenen, holzvergitterten Gelassen im Erdgeschoß; drinnen saßen am Boden in rosiger Seide Mädchen unter den Reihen von Glühlampen und ließen um sich freien, –
Tänzerinnen und Freudenmädchen, die hier in den Teehäusern ausgestellt zur Parade erschienen, die, gleichwie schöne Ladenauslagen, zum Anlocken dem Teehaus dienen.
Einige Männer auf der Gasse plauderten mit den Mädchen in einem Gelasse. Es war schon spät, viele Gemächer standen schon dunkel, nur der Mond schien über die Dächer,
Und manche Türen waren bereit, sich zu schließen; in andern saßen Mädchen am Boden auf ihren flachen Kissen und gähnten von Zeit zu Zeit, Mädchen, die nur lieben und nie hassen;
Und die Schminke auf ihren puderweißen Wangen war stellenweise abgegangen, wie vom Anfassen die feine Malerei auf gebrauchten Porzellantassen.
Ich ging heim durch den stockdunkeln Gassenschwarm, vom Mond begleitet, der mich unter den Arm nahm. Und der dickbackige Mond mit mir ins Gespräch kam.
Er hat meine Gedanken geleitet und gesagt: »Gestern waren dir neu die wahnwitzig kämpfenden japanischen Frauen;
Die heutige Nacht ließ dich zum erstenmal die Gitterkäfige des japanischen Liebesmarktes schauen.
o

Wie weiße Tauben, bunte Enten eingepfercht, wie buntbemalte Töpfe, wie in Tennen goldgelbe Hennen saßen vor dir die lieblichsten Geschöpfe, die von der Liebeslust nur die Macht eines Goldstückes kennen.
Und wieder hat ein neues Staunen über das Japan mit seinen Blumen-, Kampf- und Liebeslaunen in dir sich breit gemacht.
Aber keine von ihnen, wenn sie ihre Lippen gerundet, hat dein Herz entzündet. Jede war für dich nur bunt wie ein geschmücktes Grab.
Aber warte nur ab, bis ich dir die fünftausend Freudenmädchen der Hauptstadt Tokio zeige auf Erden. Dann werden deine Sehnsucht und dein Heimweh endlich schweigen.«
Also sprach zu mir der Mond mit seinem weißgepuderten Gesicht, dem feigen.

 


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