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Der Baum ohne Schatten

Eh' ich von Kairo Abschied nahm, ich draußen vor der Stadt zu einem Baum noch kam.
Der Baum stand ohne Schatten, ein Gerippe; denn zwei Jahrtausende, die hatten in ihm Raum.
Maria unter ihm, mit ihrer Sippe, dort einst im Sand gerastet hat auf ihrer Flucht nach der Ägypter Land.
Der Baum schien wie mit Ewigkeit belastet. Er streckte starrgewordne weiße Äste breit
Und sah sich wie ein Galgen und Gerüst kahl an, als hingen dort in Leere und in Einsamkeit
Skelette der Jahrhunderte daran. Als trüge er das gräßlichste Gespenst der Zeit, den Geist der Geister, die Vergessenheit.
Nur Ballast war dem Baumstamm jeder Ast, und Schauder hat mich vor ihm angefaßt.
Denn auf dem Scheiterstoß der Äste, der in die Breite schoß,
Stand nackt und bloß die Leere, wie eine unerschütterliche Feste,
Als wäre sie allein, hoch über allem einst, der Rest der Reste.
Der Riesenbaum, der blätterlos, lebt kahl noch weiter, in der Sehnsucht groß, und ohne zu ermatten.
Er überlebte seinen eigenen Schatten.

 


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