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Über den Wolken

Eine Stunde vor Mittag stieg der Zug aus dem Wolkenschlunde.
In durchdringender Helle der Äther lag, aber die Sonne erschien als eine eiskalte Lichtquelle,
Ohne Glut, ohne Wärmewelle. War, als stünde sie angefroren als glänzende Eisscheibe,
Nur ein Spiegelbild einer Sonne an der Sonne Stelle.
Von den fünf Sinnen flogen Geruch, Geschmack, Gehör und Gefühl kühl fort von deinem Leibe,
Nur das Auge sah über den Gletscherbrücken eine übersinnliche Helle hoch über dem Wolkengetreibe.
Höher als im Zenit die Ätherkreise erkannte ich grünliche schwebende Eise und zitterige Zacken,
Weit hinaus in das Weltall gestellt. Sie staken im Äthermeere,
Als ob ein fremder Planet, vereist von draußen, kopfüber wie ein weißer Geist in die Atmosphäre der Erde fällt.
Als ob im hohen, blauen Nichts eine fremde Welt Einzug hält.
Dort, wo es keiner Wolke Duft mehr gab, dort, wo die Sonne am Mittag
Tot und weiß im Raum lag wie im Grab,
Dort breiteten Eisländer sich wie weiße indische Pfauen.
Alle Sinne sind tot, nur die Augen schauen.
Du gehst, wie ein Geist ohne Leib, dir selber zum kalten und staunenden Grauen,
Wie die Wolken, die unter dir sich fußlos an Abgründen halten.
Und zwischen Sehnsucht hinauf und hinunter fühlt sich jeder Bluttropfen in dir gespalten.
Wie irisierende Kugeln aus Schaum standen die Gipfel des Himalaja im grünbläulichen Raum,
Als zögen sie von der Erde fort, und ihr lautloser Ausflug sprach mehr
Als mancher Menschen höchstes Wort.
Welche Schmerzen der Erde haben hier gestürmt?
Welchen Gewalten hat sich hier die Erde mit Gewalt entgegengetürmt?
Hat hier die weiße Erde den weißen Mond aus ihrem Schoß verloren?
So wie Adam aus einer Rippe die Eva geboren und mit der Liebsten wandernd einen Bund geschworen? –

 


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