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Die Asketen

In blassem Staunen kam ich zu den Gangesgassen.
Ich hielt den Atem an vor diesem Murmeln und dem Raunen.
Und um mich her da waren Menschenmassen, es klang bald wie ein Meer und wie ein Wald.
Schwer sah ich nur den einzelnen in dem Gewirr.
In Eisenkäfigen und in umgitterten Gelassen
Saßen Asketen, nackt und irr, in allen Gangesstraßen. Die Stirn bemalt mit Aschenzeichen,
So streichen andere an dir vorbei, furchtbar wie Masken und Grimassen.
In weißen Aschennestern an dem Boden, mit Steinen auf den toten Schultern, Märtyrer wie verkohlte Bäume saßen.
Wahnwitzig war ihr Schrein, und aufgeschleudert holten ihre Blicke, wie wilde Vögel an dem Morgenhimmel, die Wolken ein.
Die einen siech auf Stachelbetten, die andern aufgestellt, starr, unbeweglich, die Arme schwer beladen mit Gewichten.
Ihr Haar in langen, dichtgeflochtenen Stricken verstaubt aufs Pflaster fällt.
Sie stehen wie die Bäume, die der Frost entlaubt, seit Jahren tot hier in der Welt,
Und nur beim Wachsen ihrer langen Haare das Volk herum noch an ihr Leben glaubt.
Ich ging hier tiefentsetzt vorbei am Irrsinn, der den Leib zu Tode hetzt,
Das Fleisch mit Geißeln und mit Stacheln wild zerfetzt.
Als hielt das Leiden einen Markttag hier, lag der Asketen Schar stier vor den beiden Häuserreihen im freien Morgen,
Das Leben hassend, in den Aschenhaufen und mit dem weißgekalkten Haar, gleichwie die Schau von allen Erdensorgen.
Gefährlich jeder Schritt hier war, denn mancher schrie, wenn er den Europäer sah,
Und hielten ihn nicht Ketten oder Stricke, es hätten seine Füße gern mich als Insekt zertreten.
Sie alle hatten einen und denselben Blick: voll Stolz verfluchend ihr Geschick.
Als trüge jeder einen Strick voll Knoten, nicht zu lösen, in der Brust und säh das Leben nur im Bösen.
In ihrer Brust lag einfache Natur schon längst bei Toten, sie fühlten alle ewig sich als die Bedrohten.
Und nur die Liebeslust wär' hier, wo keiner mehr dem Leben traut,
Das Schwert, das glatt zerhaut des Irrsinns gordischen Knoten.

 


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