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Reiseromantik auf dem Weg nach Nikko

Ein altes Sprichwort sagt dir an: »Noch keiner ehrlich in Japan das Wort prachtvoll gebrauchte, ehe er nicht Nikko gesehn, das machtvoll erlauchte,
Und dort in den Wäldern, Bergen und in den Sälen der Nikkotempel untertauchte!« –
Ich ließ manchen Tempelschrein deshalb in Tokio ohne Besuch sein, um nur noch die Tempel in Nikko zu sehn, und damit das Wörtlein »prachtvoll« zu verstehn.
Denn die Buchstaben allein lassen ein Wort noch nicht zu Herzen gehn, und sind es auch ihrer zehn. –
In den Mai hinein fuhr der japanische Bahnzug; seine Wagen sind sauber und rein; und hält sich der Zug auf, bringt man schnell zum Verkauf Bier und Reiswein;
Und an den Hauptstationen man mittags zum Zug in weißen Holzkästlein verschiedene Speisen appetitlich ans Fenster trug.
Viele Leute reisen, viele japanische Herren und Damen, Männer und Frauen steigen aus und ein. Und durch die spiegelnden Fensterreihn
Springen die lauschigsten Landschaftswinkel im krausen Durcheinander zum Anschauen herein. Auch große Reklamebilder
Gemalt auf haushohe Schilder. Der Riesenkopf von Bismarck sogar in Japan am Bahndamme gemalte Reklame war.
Am Nachmittag, in weiten Bergebenen, wächst in Stufen höher die Landschaft, und von steifen Riesenkryptomerien eine Unzahl
Steht an einem steinigen Bergbach wie Maste kahl. Waschendes Schaumwasser raste. Es kommt von Körpern ferner Gebirgsmauern her, von dampfblauen;
Hat seinen Weg sich selber blitzend gehauen. Und die mächtigen Kryptomerien, glänzend vom Harze, stehen am Bachrand wie Balken, pechschwarze.
Sie dunkeln hier, wie mit Tusche gemalt auf glänzend weißes Pflanzenpapier. Und die Augen schmerzen dir vor dem neuen Gebirgslicht,
Das mit weißen Wassern und schwarzen Schattenbäumen dich anspricht. Dann wölbt sich höher der Bergdom,
Gedrängt unterm Sonnenstrom. Der Zug hält am Eingang auf der schroffen Hügelwange vor einem langen, uralten Kryptomeriengange.
Das heilige Nikko! Du siehst Holzhäuser und manch Schindeldach, hochgehängt über den Bergbach zwischen die Berge hinein, an ein breites Kluftbett aus bläulichem Stein.
Die Harzluft dringt frisch wie das Wassergezisch auf dich ein. Die Rikschawagen jagen eilig mit den Fremden auf einer Bergstraße auf die Anhöhe zwischen Budenreihn,
Wo Hotelhaus und Waldgeröll und Berggärten und rotes Ahornlaub aufwarten und die Fernsicht über schwärzliche Wasserschlucht und grünliche Gebirgsbucht.
Auf den weißen Altanen des Nikkohotels, das oben auf den Bergstufen, erschienen mir die Leute aus allen Nationen,
Wie von den roten Laubfahnen der Ahornbäume und von den rosigen Kirschengeländen hingerufen. Ich finde im Hotel auf der Stell' einen Freund,
Den traf ich schon in vier Meeren in verschiedenster Zon'. Es ist ein junger italienischer Baron, Don Juan vieler reisenden Damen. In manch indischem und chinesischem Hafen
Wir oft zufällig zusammentrafen. Dann vertraut' er mir immer an, daß er wieder nicht schlafen kann, denn immer ein neues Weib wohnt in seiner Brust.
Bei jeder neuen Frau ruft er laut, daß er endlich in dieser die einzige Lust seines Lebens von Angesicht zu Angesicht schaut! Und er schnalzt, wie im kochenden Wasser ein Hecht, vor der neuen Braut.
Auch in Nikko hier hämmert sein Herz wieder heftiger als ein Waldspecht. Die Leidenschaft zu einer neuen Schönen macht ihn zum Stallknecht,
Denn auch ihr Fußtritt ist ihm recht. Wieder ist es eine andere, die er im Weltgewandere gefunden. Eine Gesandtin aus Peking ist jetzt das Idol seiner Liebesstunden.
Und immer ist die letzte Liebe, von der er einst besessen, wie ein schöner Sonnenuntergang längst vergessen.
Er steht im Reitanzug beim Treppensaal vor dem Hotel; seine Reitpeitsche mit Vergnügen in die Luft schlug; er begrüßte mich lebhaft, und ich frug noch nicht,
Da deutet er schon, wie der sinkende Sonnenball rot im Gesicht, auf ein Bergpferd, das einen Damensattel trug.
Dann neigt er das Knie wie zu einem Fußfalle und hält Zügel und Steigbügel, denn die schlanke Gesandtin erscheint in der Treppenhalle.
Gleich danach jagen beide unter roten Ahornbäumen hin, Pferd an Pferd eng, als trägt sie voll Liebessinn ein Gedanke,
Als tranken der Reiter und die Reiterin, Schulter an Schulter, aus einem Becher von einem und demselben Liebestranke.
Ich hörte die Hufe ihrer Pferde noch lange am Bergabhange; ich ging zu meinem Zimmer und dachte auf jeder Treppenstufe:
Die Liebe reist in verschiedenem Gange. Des einen Reisenden Herz bleibt wie ein Feuer am Herde, und nur seines Leibes Gebärde
Geht wie der Rauch um die Erde. Ein anderer nimmt sein Herz zur Ernährung mit wie seinen Bauch,
Braucht zur Wegzehrung immer neuen Liebesschwung drall und füllt sein Herz mit Lieblust prall an wie einen Weinschlauch
Und scheidet immer verzinste Liebe aus der Brust, wie man Kupons abschneidet mit der Schere.
Er nimmt immer neuen Herzschwung wie eine neue Münzsorte zur Hand und prägt sein Herz um wie der Länder Geldwährung am neuen Orte,
Immer neu in jedem Land der sieben Meere.

 


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