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Der Zauberstab

Der Kai vor meinem Fenster heiß und leer im Mittagsschatten lag,
Nur ein paar Wolken schwammen, weiß und wie Gespenster, überm Meer.
So war es jeden Tag, und jeder Tag kam sonnenheiß
Und lebhaft in sich selbst daher.
Um diese Stunde aller Sonnen hexte mit Kraft ein Zauberer
Unten vor Loggien und Balkonen, vor dem Hotel auf Pflastersteinen.
Er ließ in bunten Lappen die halbe Welt verschwinden und erscheinen,
Und seinen Zauberlehrling hieß er binden, wies ihn in einen Korb hinein,
Stieß unter Schreien, wie besessen, mit Degen und mit Dolchen auf ihn ein,
Ganz wie die Taschenspieler pflegen auf europäischen Messen.
Nur glaubte dieser hier an seine eigenen Hexerein
Und machte dadurch alle, die ihm zugeschaut, verwirrt
Und von dem Zauber ernst besessen.
Auch heut am Sonntag war er da und rührte seine indische Trommel,
Die einen Teufelslärm vollführte. Und statt der Glocken, die im Christenlande läuten,
Sah ich den Zauberer am Pflaster hocken und Gläubige an allen Fenstern
Zur Andacht sich erbeuten und einen Silberregen auf sein Haupt
Von den Balkonen locken. Denn jeder warf ihm gern sein Geld hinab,
Weil ihm der Zauberer mit seinem Zauberstab, für klare Münze,
Den Kinderglauben an Unmöglichkeiten wiedergab.
So zaubert Liebe, dacht' ich, seit urewigen Zeiten den kleinen Menschen ihre Künste vor,
Und jeden freut es, macht sie ihn zum Tor.

 


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