Jakob Wassermann
Joseph Kerkhovens dritte Existenz
Jakob Wassermann

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Es war ein kleiner Austro-Daimler, der vor dem Haus stand. Ohne Chauffeur. Kerkhoven lenkte ihn selbst. Am nächsten Vormittag sollte der Wagen in Seeblick abgeholt werden. Das schweigende Nebeneinandersitzen während der nächtlichen Fahrt war gut für beide. Alexander war noch ein wenig benommen von den Tabletten. Er starrte hypnotisiert in das Scheinwerferlicht auf der Straße. Ihm war als ströme das Licht aus dem Innern Kerkhovens, und mit jedem Kilometer, den sie zurücklegten, wurde es auch in ihm heller. Was für eine geheimnisvolle Kraft, die von diesem Mann ausging! Sie erinnerte an die Wärme vulkanischer Erde oder an die Rindenwärme eines mächtigen Baums, der noch Strahlen aussendet, auch wenn ihn die Sonne längst nicht mehr trifft.

Als sie etwa noch fünf Kilometer von Seeblick entfernt waren, stoppte Kerkhoven die Maschine vor einem Gasthaus. Er kannte den Wirt. Er klopfte an einem der Fenster, und als der Mann schlaftrunken erschien, bat er ihn, den Wagen in die Garage stellen zu dürfen. Alexander wunderte sich. Die Erklärung Kerkhovens, er wolle so spät in der Nacht das Haus nicht durch Autolärm aufschrecken, klang nicht recht glaubwürdig. Er hätte ja den Wagen in einem abgelegenen Teil des Parks stehen lassen können. Erst ein paar Tage später teilte ihm Kerkhoven den wahren Grund mit. »Ich wollte eine Stunde lang mit Ihnen in der Dunkelheit gehen,« sagte er; »ohne zu reden. In der Nacht zu wandern, das reinigt das Gemüt. Da spricht die Natur so eindringlich wie niemals am Tage. Ich mußte die Probe mit Ihnen machen; und mit mir. Famos, wie Sie es gespürt haben. Daß Sie ganz still waren. Dadurch ist die Trübung zwischen uns beseitigt worden. Wissen Sie nicht, wie hart wir miteinander gerungen haben, als wir so schweigend durch die Finsternis gingen?«


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