Jakob Wassermann
Joseph Kerkhovens dritte Existenz
Jakob Wassermann

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

90

Der Fall Imst-Mallery bot ihm so viele Möglichkeiten zu allgemeinen Schlußfolgerungen, namentlich was die Beziehung zwischen Verbrechen und Staatsgewalt, zwischen Strafvollzug und Gesellschaft betraf, daß er beschlossen hatte, ihn in sein Werk über den Wahn aufzunehmen. Hier hatte die öffentliche Meinung, lediglich gestützt auf Vorurteil und Hörensagen, eine so blindwütige Macht bewiesen, daß das Recht und der Rechtsgedanke ihr von vornherein kläglich unterlegen waren. Die Schädigung, die die Einzelseele durch die wahnhafte Verseuchung jener Gruppen erfuhr, die der Gerechtigkeit ihren Willen aufnötigten, war ein Problem, mit dem man sich als Arzt zu befassen hatte, deckte es doch eine der geheimen Fehlerquellen in der Gesamtfunktion des sozialen Körpers auf. Und da es für Kerkhoven eine unumstößliche Grundwahrheit war, daß im engsten Bezirk, am unbeträchtlichsten Individuum, nicht geschehen kann, was sich nicht wie ein physikalischer oder chemischer Vorgang mit unerbittlicher Folgerichtigkeit in der Gemeinschaft, der Nation, der Menschheit auswirkt, war das Schicksal der beiden Menschen für ihn symptomatisch, umsomehr, als es sich um mittlere Charaktere handelte, Leute von mittlerer Intelligenz und geringer Bildung.


 << zurück weiter >>