Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Basel

202. Die Basler Uhr

Wenn wir die Basler necken, so ist's um ihre Uhr:
Sie sein in jedem Stücke
Wohl hundert Jahr' zurücke und vor ein Stündchen nur.

Von jenen hundert Jahren verlieren wir kein Wort:
Wie sie zurückgeblieben,
Man findet's nicht geschrieben: sie schritten wohl nicht fort.

Nur von dem kurzen Stündchen vernehmt ihr kurz Bericht;
Und hat man uns belogen,
So seid ihr nicht betrogen, ihr nehmt's für ein Gedicht.

Man wollt' einst überraschen die alte Baselstadt;
Dem Feinde vor den Toren
War eine Zunft verschworen, die sie verraten hat.

Sobald es zwölfe schlüge vom Turm um Mitternacht,
Da sollte sie von innen
Erstürmen Tor und Zinnen, dazu die hohe Wacht.

Die Pforte dann erschließen dem Feind, der draußen stand,
Daß der hindurchgefahren,
Mit seinen Söldnerscharen bewält'ge Stadt und Land.

So war es abgesprochen in aller Heimlichkeit;
Nur oben auf dem Turme
Erfuhr es vor dem Sturme der Glöckner noch zurzeit.

Er konnt' es nicht mehr melden dem Bischof noch dem Rai;
Bald sollt' es zwölfe schlagen:
Hier galt es rasch zu wagen und rasch war seine Tat.

Da, wenn es zwölfe schlüge, das Zeichen war zum Sturm,
So schlug es gar nicht zwelfe,
Und auch nicht wieder elfe, es schlug gleich eins vom Turm.

Da sahen sich betroffen die Hochverräter an:
»Verschliefen wir die Stunde?
Kam vor den Rat die Kunde von dem, was wir getan?«

Da war der Mut entsunken, sie schlichen still nach Haus;
Die vor den Zingeln standen
Und sich betrogen fanden, die lachten selbst sich aus.

Am Morgen war verwundert der Rat, als er erfuhr,
Wie, weil er warm gebettet
Im Schlafe lag, gerettet die Stadt ward durch die Uhr.

Die ließ man zum Gedächtnis nun gehen immer so,
Und noch in unsern Tagen
Die Basler Glocken schlagen eins mehr als anderswo.

Doch auf dem Turm der Brücke, da guckt ein Kopf hervor,
Der sechzigmal die Stunde
Die Zunge reckt im Munde den Feinden vor dem Tor.

Und neckt ihr nun die Basler, verdirbt man euch den Spaß:
Sagt ihr, sie sei'n zurücke,
Man führt euch auf die Brücke und fragt: »Wie g'fallt euch das?«

            K. S. [Karl Simrock]

 

203. Der Tod von Basel

Als ich ein junger Geselle war, nahm ich ein steinalt Weib;
Ich hatt' sie kaum drei Tage, da hat's mich schon gereut.

Da ging ich auf den Kirchhof und bat den lieben Tod:
Ach, lieber Tod von Basel, hol mir meine Alte fort.

Und als ich wieder nach Hause kam, mein' Alte war schon tot:
Ich spannt' die Ross' an Wagen und fuhr meine Alte fort.

Und als ich auf den Kirchhof kam, das Grab war schon gemacht:
Ihr Träger tragt fein sachte, daß d'Alte nicht erwacht.

Scharrt zu, scharrt zu, scharrt immerzu: das alte böse Weib,
Sie hat ihr Lebetage geplagt mein'n jungen Leib.

Und als ich wieder nach Hause kam, all' Winkel war'n mir zu weit,
Ich wart'te kaum drei Tage und nahm ein junges Weib.

Das junge Weibel, das ich nahm, das schlug mich alle Tag':
Ach, lieber Tod von Basel, hätt' ich meine Alte noch!

            Volkslied.

 

204. Der Gant des Herrn von Ramstein

Wie leuchten die Lichter im Schlosse so helle?
Herr Christoph von Ramstein, der frohe Geselle,
Er hält in dem Saale zum letztenmal Schmaus,
Denn morgen verkauft man ihm Güter und Haus.

Die Ahnen vertaten's, er hat's nicht verschuldet,
Was er nicht verbrochen, gelassen er duldet,
Geht lustig ins Elend, das Leid, er verzecht's,
Leicht endet der Letzte des frohen Geschlechts.

Doch, daß er so fröhlich vom Gute kann scheiden,
Kein Kummer die Lust ihm des Lebens entleiden,
Das macht, ihn begleitet zur Hütt' aus dem Saal
Ein Engel des Himmels, ein lieblich Gemahl.

Kein Gram ihr umschattet die blauenden Augen,
Draus mag er sich Strahlen der Hoffnung entsaugen.
Ihr bleichet kein Schmerz auf den Wangen das Rot,
Ihr schwellet den Busen kein Seufzer der Not.

Drum weil er den Schatz sich, den edeln, gerettet,
So fühlt er auf Stroh wie auf Flaum sich gebettet,
Und wandelt am Morgen den traurigen Pfad,
Als flög' er zum Tanze gen Basel zum Rat.

Das Haus und die Güter, die schönsten im Lande,
Er gab sie schon lange den Herren zum Pfande.
Sie sitzen mit Mantel und Kragen geschmückt;
Der Ritter vor ihnen entblößt und gebückt,

Und doch nicht gebeugt im zufriedenen Herzen:
Es schließt sich der Kauf unter Lachen und Scherzen.
Am Ende da spricht er: »Ihr würdigen Herrn,
Eins gebet mir drein, und eins hätt' ich so gern!

Die blinkenden Taler, sie müssen, ach! wandern,
Die goldenen Gülden gehören schon andern;
Euch liegt in den Buden viel Glanz und viel Glast:
So schenkt mir ein einziges Stückchen Damast.

Ich selber, ich will nichts von Samt und von Seiden,
Doch möcht' ich mein ehlich Gemahl mit bekleiden:
Sie ist wie ein Engel aus himmlischen Höhn,
Sie ist für den Kittel der Armut zu schön.«

Wohl rühret die Männer des Rates die Bitte,
Bei ehrlichen Bürgern herrscht gütige Sitte;
Und fließende Seide, gewichtig und echt,
Die macht ihm ein Schneider von Basel zurecht.

Und knapp an die schwellenden Glieder sie fugend,
Bekleidet der Ritter das Weib seiner Jugend;
Er führet sie unter das niedrige Dach,
Als trät' er mit ihr in ein Fürstengemach.

Er pflanzet und erntet, sie webet und spinnet,
Sie lächelt so lieblich, er kost und er minnet:
Wohl altert das Kleid, wohl verblüht das Gesicht,
Doch Liebe nicht weicht und Zufriedenheit nicht.

            G. Schwab.

 


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