Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Marienforst bei Godesberg

59. Die Himmelfahrt

Ein Schwabeneinfall war es doch,
Die Klöster aufzuheben:
Marienforst, wie war da noch
Um Anno eins ein Leben!
Die Nönnchen lustig allzumal,
Von Waden rund, von Hüften schmal,
    Solang' es eben währte.

Oft in die Scheuer schlichen sich
Zwei ausgelernte Schälke,
Da hoben sie behendiglich
Vom Heu sich aufs Gebälke.
Und von den Balken niederhing
Wie eine Schaukel fast ein Ding,
    Das zog sich auf und nieder.

Nicht lang', so kommt ein Nönnchen hin
Und setzt sich auf das Dielchen,
Und weil es so unschuldig schien,
Hieß Himmelfahrt das Spielchen.
Sie flog empor, den Balken nah,
Und wieder nieder: nichts geschah,
    Als daß sie einer küßte.

Der eine jetzt, der andre dann,
Wie es sich fügen wollte.
Einst sah es die Äbtissin an,
Die sehr darüber schmollte,
Sie hätt' es lieber selbst versucht:
Das Nönnchen nahm auch gleich die Flucht
    Beim Anblick der Gebietrin.

Da setzt sie selbst sich in den Stuhl
Und will zum Himmel fahren;
Sie konnten ihr ertauschtes Buhl
Da oben nicht gewahren;
Doch wie sie jetzt zum Himmel fuhr,
Der eine rief: »Laß los die Schnur,
    Laß los, es ist die Alte!«

Und war die Himmelfahrt geschwind,
Die Erdfahrt war noch schneller:
Auch schrie sie wie ein Wickelkind,
So hart war Stoß und Preller.
»O weh, o weh, wie schafft es Pein,
Wenn man zum Himmel will hinein
    Und muß zur Hölle fahren!

Ich seh', es wird auch oben so
Wie auf der Welt gehalten:
Der Jungen ist man allwärts froh,
Doch nirgendwo der Alten.«
So gab es manchen guten Schwank
Und mir geschah es nicht zu Dank,
    Als man die Klöster aufhob.

            K. S. [Karl Simrock]

 


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