Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Bonn

55. Der lose Vogel

Am Kreuzberg stand ein Vogelherd,
Nun Vogelkau genannt;
Der Vogler war nicht sehr gelehrt,
Doch wohl als schlau bekannt.

Er nahm es mit dem Teufel auf,
Schloß ohne Furcht den Bund,
Die Seele bot er ihm zu Kauf
Und baut' auf guten Grund.

»Die schönsten Vögel schaffst du mir
Daher zum Leidvertreib;
In jenem Leben dien' ich dir
Dafür mit Seel' und Leib.

Doch eines merke, schlimmer Geist:
Was da mit Federn prangt,
Ich will auch wissen, wie es heißt:
Das wird dazu verlangt.

Weißt du den rechten Namen nicht,
So bist du um den Lohn.«
Der Teufel macht' ein schlau Gesicht
Und sprach: »Es gilt, mein Sohn!«

Viel Vögel bracht' ihm Satan jetzt,
Vom Zeisig bis zum Pfau;
Was singt und was den Gaumen letzt
Benannt' er ihm genau.

Denn eifrig tat sich Herr von Drach
In dicken Büchern um:
Der Büffon und der Blumenbach,
Das war sein Studium.

Von Nutzen, Art und Eigenschaft
Der Vögel lernt' er viel
Und sprach darüber weit und breit
Im Doktoranden-Stil.

Der fromme Vogler freute sich
Des Reichtums überaus;
Einer halben Arche Noe glich
Sein vielumsungnes Haus.

Zuletzt, als ihm das Alter kam,
Dacht' er ans ew'ge Heim;
Sein jüngstes Enkelkind er nahm,
Strich's an mit Vogelleim,

Wälzt' es in Federn hin und her,
Und rief den Feind zur Schau,
Frug, was das für ein Vogel wär',
So buntig und so rauh.

Der Junker Voland stiert' ihn an
Von hinten und von vorn,
Und weil er es nicht sagen kann,
Zupft' er sich selbst am Horn.

Dann rückt' er mit dem Pakt heraus,
Ward schlanker noch als schlank
Und wirbelt' sacht zum Schornstein aus
Mit höllischem Gestank.

            K. S. [Karl Simrock]

 

56. Die Siebenschläfer

Als Probe Bönnischer Mundart.

Et wore drei Sivveschlöfer,
De schleefe sivve Johr.

We de sivve Johr herömm senn,
Do waach den enen op,

Onn rihv sich ens de Ogen
Onn sähd: »Et bröllt enen Ohs.«

Onn als hä dat gesaat hatt,
Streck hä sich widder hin,

Onn schleef met dä zwei andre
Obe neues sivve Johr.

We de sivve Johr herömm senn,
Do waach den andern op,

Onn rihv sich ens de Ogen
Onn sähd: »Et wor en Koh.«

Onn als hä dat gesaat hatt,
Streck hä sich widder hin,

Onn schleef met dä zwei andre
Alt widder sivve Johr.

We de sivve Johr herömm senn,
Do waach den dretten op,

Onn rihv sich ens de Ogen
Onn sähd: »Wat Ohs, wat Koh?

Loht enen eckersch schlofe,
Mer kütt jo net derzo.«

Dat woren de Sivveschlöfer;
Ich glöv, se schlofe noch.

            K. S. [Karl Simrock]

 

57. Der Teufel und der Wind

Zu Bonn vor den Jesuiten beständig weht der Wind;
Ihr forscht, woher das rühre? den Grund weiß jedes Kind.

Und fragt ihr eins, so spricht es und sich nicht lang' besinnt:
Es ging einmal spazieren der Teufel mit dem Wind.

Und wo vor den Jesuiten die Straße Raum gewinnt,
Begann der Feind zu sprechen zu seinem Freund, dem Wind:

»Was der Jesuiten Völkchen im Kloster wohl beginnt:
Du weißt, daß sie hier wohnen und mir befreundet sind.

Willst du ein Weilchen warten, mein lieber Bruder Wind,
So geh' ich ihnen bieten einen guten Tag geschwind.«

Vor der Jesuitenkirche blieb harrend stehn der Wind:
Eintrat zur Klosterpforte der Teufel falschgesinnt.

Da sah er seine Freude! er guckte schier sich blind:
»Gar wohl gefällt mir alles, was man hier treibt und spinnt.«

Mit Freudensprüngen fuhr er in sie hinein geschwind
Und ließ da draußen harren seinen lieben Freund, den Wind.

Der harrt und harrt, wie manches Jahrhundert auch verrinnt,
Und wird er ungeduldig, so heult er nicht gelind.

Noch stets vor den Jesuiten des Teufels harrt der Wind,
Ob längst mit seinem Freunde sie ausgewandert sind.

Sie kehren nimmer wieder, was mancher auch ersinnt:
Doch weit ist in der Runde berühmt der Bönnsche Wind.

            K. S. [Karl Simrock]

 


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