Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Schloß Trifels im Annweiler Tal

174. Richard Löwenherz

Der Wächter an der Zinne.
Diese Weis' und immer diese,
Tag und Nacht
Singt der König im Verliese
Bis der Morgen lacht.
Sieh, schon durch des Schwarzwalds Forchen
Blickt sein Strahl,
Seinem Winke zu gehorchen
Eilen Berg und Tal.
Möcht' er dem die Freiheit bringen,
Der mit schwindem Schwertesschwang
Weiß die Heiden zu bezwingen
Und die Herzen mit Gesang.

Blondel.
Löwenherz, von dir erfundnen
Liedeston
Sang ich nun am vielgewundnen
Rheine lange schon.
Dich mit Liedern auszuforschen
Nicht gelang.
Nie erwidern mir die morschen
Türme den Gesang.
Horch doch, ist es nicht die Weise,
Die von jener Zinne dringt?
Fiel sie hier so tief im Preise,
Daß sie schon der Wächter singt?

Wächter.
Der da unten mit der Zither
Schleicht einher
Mehr ein Sänger als ein Ritter,
Was ist sein Begehr?
Horch, die Töne sind es wieder,
Täuscht mich's nicht,
Die so gern in seine Lieder
Der Gefangene flicht.
Im Verständnis mit dem Helden
Mag der schlaue Fremdling sein:
Soll ich ihn mit Blasen melden?
Pflicht wohl wär's, doch herbe Pein.

Richard.
Singen lehrt' ich Wand und Spache
Dieses Lied,
Seit des Österreichers Rache
Mich von Menschen schied.
Nach von unten, nach von oben
Klingt es hold
Wie zum Wettgesang erhoben
Um den Ehrensold.
Dort der Wächter; wär's mein treuer
Blondel, der mir unten sang,
Kläng' es wohl mit anderm Feuer:
Freiheit ist der schönste Klang.

Blondel.
Bist du's, Richard, Herz des Leuen?
Heil dir, Held!
England ließ sich nicht gereuen
Schweres Lösegeld.
Immer konnte man dich milde,
Gütig schaun,
Männer boten Helm und Schilde,
Ring und Schmuck die Fraun.
Sieh, des Reiches Brief und Siegel
Gab mir Kaiser Heinrichs Macht,
Ungewiß, wo Östreichs Riegel
Dich verborgen hielt in Nacht.

Richard.
Blondel, Bruder! Reich und Krone
Dank' ich dir,
Aller Frauen Schönste lohne
Was du tust an mir.

Blondel.
Deines Volkes Lieb' und Treue
Dankst du sie,
Deiner Milde, die ihr neue
Kraft und Fülle lieh.

Wächter.
Und mich dünkt, des Lobs gebührte
Auch der Weise wohl ein Korn,
Die euch hier zusammenführte:
Fröhlich stoß' ich nun ins Horn.


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