Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Mainz

121. Die goldene Luft

Zu Mainz ist eine Straße die goldne Luft genannt:
Als einst von Gasse zu Gasse die Pest die Stadt durchrannt
Und was darin gewohnet hinraffte in die Gruft,
Da blieb allein verschonet, sagt man, die goldne Luft.

Und als die gift'gen Lüfte vertrieb der goldne Hauch,
Erheiterten die Grüfte der Stadt sich wieder auch;
Ausgoß von dort allmählich sich neue Bevölkerung
Und füllte bald unzählig die Stadt mit alt und jung.

So ward mir jüngst erzählet von einem, den ich mir
Zum Führer hatt' erwählet; der zeigte mir die Zier
Der Stadt, die altertümlich, einst Deutschlands Schutz und Wall,
Jetzt wieder pranget rühmlich nach des Tyrannen Fall.

Die Pest, die hier gehauset, wem ist sie nicht bekannt?
Sie ist es, die durchgrauset das ganze deutsche Land.
Verschont ist nichts geblieben von ihrem Moderduft
Bis daß sie ward vertrieben von goldner Freiheit Luft.

            Rückert.

 

122. Adalbert von Babenberg

Herr Adalbert von Babenberg, habt meiner Warnung acht,
Ihr seid an Ludwigs Hofe, des Kindes, in Verdacht.
Sie zeihen Euch der Mitschuld an seines Bruders Tod;
Wollt Ihr nicht Gnade suchen, so wär' zu fliehen Euch not.

Er sprach: »Herr Bischof Hatto, des Königs edler Rat,
Ich weiß mich nicht schuldig so mörderischer Tat;
Auch trau' ich dieser Feste; doch sucht' ich Gnade gern,
Wenn Ihr darum mir würbet bei meinem König und Herrn.

Ihr seid des Reichs Verweser: wenn Euer Wort mir bürgt,
Daß Ihr mich heim geleitet gesund und unerwürgt
Zu dieser starken Feste, so folg' ich Euch sogleich,
Meine Unschuld zu bewähren vor dem König und dem Reich.« –

»Ich bürg' Euch,« sprach der Bischof, »daß Ihr in kurzer Zeit
Zu Eurer Feste kehret in meinem Heimgeleit,
So könnt Ihr nichts verlieren; gewinnen könnt Ihr viel:
Des Königs Gunst und Gnade, die doch aller Wünsche Ziel.« –

»Wohlan denn, wir reiten, wenn wir entbissen sind:
Ein kurzes Mahl bereiten die Diener uns geschwind.«
»Es ist noch früh am Tage,« wandt' ihm der Bischof ein,
»Wir finden unterweges wohl zu Kaufe Brot und Wein.«

Da ritten diese beide; doch lange währt' es nicht,
So wendet zu dem Grafen der Bischof sich und spricht:
»Wie oft wird erst verachtet was man erwünscht zu spät:
So reut mich jetzo nüchtern, daß ich den Imbiß verschmäht.

Ich komme nicht zu Kräften, wird mir nicht Speis' und Trank.«
Da sprach der Graf mit Freuden: »Dem Himmel sag' ich Dank:
Nun darf ich doch Euch pflegen als Gast in meinem Haus.
Noch ist's zum Glück nicht ferne; bald soll Euch laben der Schmaus.«

Da ritten sie zurücke und freuten sich des Mahls;
Darauf zum König ritten die beiden abermals.
Als man den Babenberger da mit dem Mainzer sah,
Nun mögt ihr ungern hören, welch ein Greuel da geschah.

Man nahm ihn gleich gefangen und sprach das Haupt ihm ab;
Doch Schmeichelworte waren's, die man dem Bischof gab,
Daß er ihn herberedet durch schlauer Worte Saat.
Als Adalbert das hörte, noch glaubt' er nicht an Verrat.

Er sprach: »Mir gelobte der Bischof frei Geleit:
Sein Wort mir zu bewähren, das ist nun an der Zeit.« –
»Und bracht' ich dich,« rief Hatto, »nicht wieder in dein Schloß,
Da wir zum Imbiß fuhren, mein kluger Reisegenoß?

Zum andernmal gelobt' ich das Heimgeleit dir nicht:
Drum geh nur mit den Häschern getrost zum Hochgericht.«
Er ging, mit welchen Wünschen, das meldet nicht das Lied;
Doch nahm kein gutes Ende, der so die Treue verriet.

            K. S. [Karl Simrock]

 

123. Die goldene Halskette

»Gott grüß' Euch, lieber Meister! der Bischof schickt mich her
Er hat bei Euch die Kette bestellt, von Golde schwer,
Die soll ich sehn und fragen, ob sie ihm bald bereit;
Schon morgen wird er kommen, dem er bestimmt das Geschmeid'.«

Da sprach der Schmied: »Ich schaffe daran bei Tag und Nacht;
Noch fehlt die letzte Feile, so ist das Werk vollbracht.
Ich weiß, Ihr lobt die Arbeit: seht her, wie fest und stark!
Es ist daran verschmiedet roten Goldes sieben Mark.«

Der Ritter nahm die Kette, die Ringe zu beschaun:
Das konnt' er nicht, er fühlt' es vor den Augen graun.
Sie standen ihm voll Tränen der Wehmut unbewußt;
Auch rang sich ihm ein Seufzer aus der tiefbewegten Brust.

Der Goldschmied sprach: »Ihr seufzet, mich dünkt, Ihr weinet gar!
Was ist Euch? macht den Kummer mir redlich offenbar.«
»Soll ich nicht weinen?« rief er, »da dieser Kette Glanz
So bald erlischt im Blute des alleredelsten Manns,

Heinrichs des Sachsenherzogs! denn seinen Hals umschnürt
Sie morgen schon, des Fürsten, dem all dies Reich gebührt.«
Da sprach der Schmied gelassen: »Was kümmert mich das Reich?
Bezahlt man mir die Arbeit, alles andre gilt mir gleich.«

So sprach er und verstellte sein Herz, der treue Mann.
Als er das Werk vollendet, da hub er sich hindann
Und ging dem Herzog Heinrich entgegen, nicht gar weit,
Denn schon in Castel traf er den Herrn mit edelm Geleit.

»Wohin so schnell, Herr Heinrich, wenn ich es würdig bin,
Daß Ihr Bescheid mir saget?« – »Zu einem Gastmahl hin,
Und großen Ehren will ich; Herr Hatto lud mich ein,
Die rechte Hand des Königs, der erste Bischof am Rhein.«

Er sprach: »Traut nicht der Hochzeit, zu der Euch Hatto bat;
Was man in Mainz Euch schmiedet ist tückischer Verrat:
Ich selber schuf die Kette, die Euch erwürgen soll.«
Und alles, was er wußte, sagt' er ihm deutlich und voll.

»Hab Dank, lieber Meister, dich soll in meinem Dienst
Nicht reun, daß du ein Engel der Rettung mir erschienst.«
Da winkt' er Hattos Boten, der ihm nicht ferne stand:
»Nun zieh allein und sage dem Bischof, der dich gesandt,

Mein Hals sei nicht viel härter als jener Adalberts:
Drum dächt' ich mich zu hüten vor goldner Ketten Schmerz.
Nicht groß ist mein Gefolge, doch wollt' ich ihm zu Last
In Mainz heut' nicht fallen mit so manchem kühnen Gast.

In Thüringen und Sachsen hab' er der Länder viel:
Mit Schwertern wohlgewachsen ersähn wir die zum Ziel.
Da würd' er wenig sparen der Kosten, die er hier
Für Wirtschaft aufgewendet und für goldner Ketten Zier!«

Als das der Bischof hörte, da starb er vor Verdruß;
Oder traf ein Blitzstrahl ihn nach des Himmels Schluß?
Denn beides wird gemeldet und dies noch nebenher,
Daß ihn am Mäuseturme lebendig fraß der Mäuse Heer.

Wer möcht' es jetzt entscheiden nach also langer Zeit?
Es weben gern sich Sagen in der Geschichte Kleid.
Von Herzog Heinrich weiß man, ihm ward am Vogelherd
Für jene goldne Kette die deutsche Krone beschert.

            K. S. [Karl Simrock]

 

124. Der falsche Prophete

Heriger, Bischof der Mainzer Kirche,
Hört' einen falschen Propheten prahlen,
Er habe Himmel und Hölle durchwandert.

Und von der Hölle zuvörderst macht' er
Diese Beschreibung: sie liege nach allen
Seiten von dichten Wäldern umgürtet.

Heriger lachend gab ihm zur Antwort:
»Nach diesen Wäldern soll mir der Sauhirt
Die magern Ferkel zur Mastung treiben.«

Noch sprach der Lügner: »Erhoben ward ich
Zum Himmelstempel! da sah ich Christus
Bei Tafel sitzen und fröhlich schmausen.

Mundschenke war ihm Johann der Täufer;
Köstlichen Weines Becher kredenzt' er
Allen berufnen Heil'gen des Himmels.

Aber für Speise sorgte St. Peter,
Und in der Küche herrscht' er gewaltig
Über die Töpfe, Kessel und Pfannen.«

Heriger sagte: »Klüglich zum Schenken
Hat den Johannes Christus geordnet,
Da dieser Heilige gar keinen Wein trinkt.

Aber das lügst du, wenn du St. Petern
Meldest zum Haupt der Köche geordnet,
Denn Pförtner ist er des hohen Himmels.

Doch sage, mit welchen Ehren empfing dich
Der Gott des Himmels? Sprich, wo du saßest?
Und laß uns wissen, was du dort aßest?«

Sprach der Betrüger: »In einem Winkel
Nahm ich den Köchen ein Stückchen Lunge:
Das aß ich heimlich und schlich von dannen.«

Heriger ließ ihn greifen und binden
Und gleich am Schandpfahl öffentlich stäupen,
Ihn also scheltend mit harten Worten:

»Wenn dich an seinem Tische der Heiland
Will tränken und speisen, Schändlicher, kannst du
Nicht bei dir halten die langen Finger?«

            Deutsches Volkslied des zehnten Jahrhunderts.

 

125. Willegis

Es sahn am Tum zu Mainz die adeligen Herrn
Den Willegis zum Bischof nicht allewege gern.
          Der war ein Wagnerssohn:
          Sie malten ihm zum Hohn
      Mit Kreide Räder an die Wand:
      Die sah er wo er ging und stand!
          Doch es nahm Willegis
      An dem Schimpf kein Ärgernis.

Denn als der fromme Bischof die Räder da ersehn,
So hieß er seinen Knecht nach einem Maler gehn:
          »Komm Maler, male mir
          Ob jeder Tür dahier
      Ein weißes Rad im roten Feld,
      Darunter sei die Schrift gestellt:
          Willegis, Willegis,
      Denk woher du kommen sis!«

Nun wurde von den Herren am Tum nicht mehr geprahlt,
Man sagt, sie wischten selber hinweg, was sie gemalt.
          Sie sahn, dergleichen tut
          Bei weisem Mann nicht gut.
      Und was dann für ein Bischof kam,
      Ein jeder das Rad ins Wappen nahm:
          Also ward Willegis'
      Glorie das Ärgernis.

            August Kopisch.

 

126. Frauenlob

Umsonst nicht stimmte Frauenlob sein Saitenspiel den Frauen,
Warum er sang der Frauen Lob, ich will es euch vertrauen.

Sie wußten was man liebt und hofft und in verschwiegner Laube
Entzückten sie den Sänger oft beim süßen Saft der Traube.

Da wandt' er ganz auf ihren Preis zum Dank des Liedes Gabe,
Und als er starb ein muntrer Greis, sie trugen ihn zu Grabe.

Und träuften auf die Dichtergruft des Weines solche Fülle,
Ein goldner See mit würz'gem Duft umwogte seine Hülle.

Dem sie den sangesheisern Mund im Leben gern begossen,
Dem kam nun auf geweihtem Grund die Neige nachgeflossen.

Der ganze Kreuzgang schwamm im Wein, es war so mancher Eimer:
Noch duftet um sein morsch Gebein der edle Laubenheimer.

So ist ein Dienst des andern wert, umsonst will ich nicht singen:
Die in die Laube mich begehrt, der soll mein Lied erklingen.

          K. S. [Karl Simrock]

 

127. Der arme Spielmann

Zu Mainz ging einst voll Harm und Leid ein Spielmann alt und arm
Mit weißem Haar, im Bettelkleid, die Fiedel in dem Arm.

Wie friert mich so, wie hungert mich, wie bin ich alt und schwach,
Wer, ach, erbarmet meiner sich und nimmt mich unter Dach?

Als ich vor Jahren lustig sang, da priesen sie mich sehr,
Wenn meine Geige hell erklang, war alles froh umher.

Nun geh' ich armer Greis allein, der nimmer singen kann;
Sie sprechen: Stell dein Geigen ein, du altersschwacher Mann.

Der Alte ging mit seinem Gram zu Mainz den Rhein entlang,
Als er zu einem Kirchlein kam, draus hell ein Glöcklein klang.

Er stellte still sich in die Tür und sah auf dem Altar
Ein goldnes Bild in reicher Zier von einer Jungfrau klar.

Voll Andacht sah er nach dem Bild und klagte seinen Schmerz:
Ihm war, als spräch' es süß und mild ihm Trost ins kranke Herz.

Da weinet lang und weinet heiß vor ihm der alte Mann,
Und spielt dem Bild zu Lob und Preis das Beste was er kann.

Er singt dazu sein Lied und spricht: »Du kennst der Armut Schmerz,
Du hörst die alte Geige nicht, du hörst mein warmes Herz.«

Und als das Lied zu Ende war und er wollt' weiterziehn,
Da warf den Schuh von Gold so klar das Bild zum Lohn ihm hin.

Der Alte hob ihn küssend auf und dankte tausendmal,
Zur Stadt dann ging er freudig hin, ihn trieb des Hungers Qual.

Die Häscher aber faßten ihn und riefen hart ihm zu:
»Ei halt, wo eilst du Alter hin? Gestohlen ist der Schuh.« –

»Den schenkte mir das Bild zum Lohn,« so rief der Alte bang;
Sie aber sprachen drauf mit Hohn: »Dem Dieb gebührt der Strang.«

Sie glaubten seinem Schwure nicht, verdammten ihn zum Strang;
Sie schleppten ihn zum Hochgericht, den stillen Rhein entlang.

Und als er auf der harten Bahn zum kleinen Kirchlein kam,
Da hielt er bei dem Bildnis an und sprach in seinem Gram:

»Du selber littest größern Schmerz und gabst für Gott dein Blut;
Ich opfre dir mein armes Herz, nimm mich in deine Hut.«

Zum letzten nimmt der alte Mann die alte Geig' hervor:
Und singt dazu so gut er kann sein Lied dem Bilde vor.

Doch als das Lied geendet war und er wollt' weiterziehn,
Den zweiten Schuh von Gold so klar warf ihm die Heil'ge hin,

Voll Staunen und voll Rührung sah das Volk dem Wunder zu;
Sie sprachen: »Gott der Herr ist nah, geschenkt ward ihm der Schuh.«

Sie fielen reuig auf die Knie und beteten im Kreis
Und mit dem Spielmann sangen sie dann Gottes Lob und Preis.

            G. Görres.

 

s

128. Faust und Gutenberg

Da war einmal ein Herr Johann,
    Fust oder Faust geheißen;
Der tät sich als gescheiter Mann
    Der schwarzen Kunst befleißen,
So daß, dem Wissensdrang zulieb,
Er gar dem Teufel sich verschrieb:
    So sprach von ihm zur Schande
    Das Pfaffenvolk im Lande.

Er schrieb – das war der Teufel grad' –
    Ganz anders als die Münche,
Mit einem Zauberapparat
    Und mit geheimer Tünche.
Sie malten mühsam mit dem Kiel;
Ihm aber war's ein Kinderspiel,
    Die Schrift in ganzen Seiten
    Auf einmal auszubreiten.

Wie Puppen ließ das Alphabet
    Er auf der Tafel tanzen
Und nach Kommando fest und stet
    In Reih und Glied sich pflanzen;
Und ehe sich's die Welt versah,
War schon die ganze Bibel da,
    Gleich hundert Exemplare
    Gedruckt in einem Jahre.

So trieb er insgeheim das Werk
    Des Teufels im Vereine
Mit Schöffer und mit Gutenberg
    Zu Mainz der Stadt am Rheine.
Was Wunder, daß im Volk er bald
Für einen Tausendkünstler galt,
    Den einst für sein Gelüste
    Der Satan holen müßte.

So stand es mit Johannes Faust,
    Dem Zaubrer erster Klasse,
Vor dem es einst am Rhein gegraust
    Der ganzen Pfaffengasse.
Buchdruckerkunst ist Teufelsspuk,
Ist Höllenzwang und Höllentrug!
    So lärmten Pfaff und Schreiber;
    Am tollsten schrien die Weiber.

Doch während Faust als Scharlatan
    Im Hirn des Volkes spukte,
Hat Gutenberg, der auch Johann
    Ja hieß und Bücher druckte,
Der neuen Kunst die Lebenskraft
Zu frischem freiem Wuchs verschafft,
    So daß sie herrlich blühte;
    Faust aber ward zur Mythe.

Denn als er längst gestorben war,
    Da trat als Faust der zweite
Er wieder auf mit Haut und Haar,
    Den Satan im Geleite.
Von ihm erzählt der Wunder viel
Das Volksbuch und das Puppenspiel,
    Bis endlich Meister Goethe
    Unsterblich ihn erhöhte.

Buchdruckerkunst, du gabst der Welt
    Zwiefachen Trieb und Samen,
Aus jedem stieg hervor ein Held
    Von hochberühmtem Namen.
Johannes Gutenberg und Faust!
In euerm Zeichen klingt und braust,
    Wie Siegesmarsch und Messe,
    Das hohe Lied der Presse!

            Hermann Grieben.

 

129. Auch ein Held

Wir kleine freiwillige Schützenschar,
Wir haben auch unsern Helden fürwahr
So gut als wie die großen,
Die uns wie nichts verstoßen.

Wir kleine freiwillige Schützenschar,
Wir haben 'nen Helden und das ist wahr,
Der läßt sich nicht verdrießen,
Dem Feind in die Scheibe zu schießen.

Wir freien Schützen, wir standen vor Mainz,
Wir standen aber davor nicht alleins:
Es standen aus vielen Landen
Viel andere noch wo wir standen.

Wir freien Schützen, da stehn wir vor Mainz:
Hier ist kein Ruhm zu gewinnen, scheint's;
Es wird kein Blut nicht vergossen,
Es wird nicht gehaun noch geschossen.

Ihr freien Schützen, und ob's euch verdrießt,
Ich sag's euch, daß mir keiner schießt:
Das Schießen ist verboten
Mit Kugeln und auch mit Schroten.

Da stand wohl unser Schützenheld
Auf einem Posten postiert im Feld,
Ihm stand in langer Hose
Genüber ein Franzose.

Da kam dem Herrn Franzosen es an
Mit Hohn zu begegnen dem deutschen Mann;
Er zieht die Hose vom Leibe
Und zeigt ihm die nackende Scheibe.

O freier Schütze, es ist nicht not,
Daß du jetzt haltest das Gebot:
O laß dich nicht verdrießen,
Dem Feind in die Scheibe zu schießen.

Den freien Schützen, da faßt ihn der Grimm,
Da geht es dem Herrn Franzosen schlimm;
Er schießt ihm keck in die Scheibe,
Daß er nicht Hohn mehr treibe.

Der Franzmann hinkt mit Schmach nach Haus,
Der freie Schütz' ist stolz garaus;
Gar über sein Verhoffen
Hat ihn solch Glück betroffen,

O freier Schütze, dir ist es geglückt,
Daß du die Büchse hast abgedrückt,
Und nach einem solchen Ziele,
Wie außer dir wohl nicht viele.

O freier Schütze, dir ist es geglückt,
Daß du allein dich mit Ruhm hast geschmückt:
Wir alle müssen, wir andern,
Nach Hause ruhmlos wandern.

O freier Schütze, wir bitten darum,
Mit deinen Kamraden teile den Ruhm,
Daß wir, mit Ehren zu melden,
Doch haben auch einen Helden.

Du Schütze, du Held im ersten Glied,
Wir singen auf dich dies Ehrenlied,
Doch machen wir's uns zum Bedinge,
Daß es kein andrer uns singe.

            Rückert.

 

130. Das Fräulein vom Steine

Und ziehst du zum Gestade des vaterländ'schen Rheins,
Und kommst auf deinem Pfade ins altergraue Mainz,
Durchwallest du die Tore, die Gassen breit und eng,
Wo Haus und Pfalz sich reihet in rührigem Gedräng',

So wall hinein mit stolzem und festem Siegertritt,
So wall, als ob ein König vor seinem Volke schritt,
So wall, als ob du zögest an deinem Ehrentag
Ein Bräutigam, zu führen ein hochzeitlich Gelag'.

Denn diese Straßen kehrte die allerschönste Hand,
Das edelste der Fräulein im weiten deutschen Land.
Dort auf dem Felsen hauste der Lahn der Herr von Stein;
Zu Mainz die Gassen kehrte sein holdes Töchterlein.

Die Franzen hatten lange das Deutsche Reich verheert,
Sie maßen wie mit Ellen das Land sich mit dem Schwert,
Sie rissen von den Gauen sich ab den besten Teil,
Sie griffen zu, wo irgend für Sinn und Gaumen Heil.

Im deutschen Volk mit Zürnen erwacht der alte Geist,
Das noch an kühnen Herzen, an Helden nicht verwaist.
Und wie die Männer rüsten, da will auch keine Frau,
Die zarte Maid nicht fehlen am großen Wiederbau.

So schrieb das edle Fräulein vom Stein dem Bräutigam:
Der Rettungstag wird tagen und enden unsre Scham.
Mein Trauter darf nicht feiern, tritt in die Reihen ein,
Nur nach dem Kampf, dem Siege mag ich sein eigen sein.

Der Brief lief gar behende, doch tückisch lauscht Verrat:
»So greift die Dirn und ihre Verwandten auf der Tat!
Der Vater ist in Preußen, wo er die Kriegsglut schürt:
Die Tochter drum ergriffen, gestraft wie sich's gebührt.«

Zu Mainz dort auf den Gassen, was ziehn die Trommeln auf?
Sie wirbeln frisch zusammen das Volk in hellem Hauf.
Geschäftig schreiten Büttel in ihrem Scharlachkleid,
Viel grimme Schergen stehen, viel Laurer da bereit.

Sie führen in der Mitte ein Kind wie Engel hold,
Im weißen Kleid der Unschuld, die Locken lang entrollt:
Den Besen muß sie führen in ihren Händen weiß,
Die Gassen muß sie kehren dort in der Spötter Kreis.

Zwischen Scherg' und Büttel fegt sie her und hin:
Ihr Bürger und ihr Bauern, verhöhnt sie nicht eu'r Sinn?
Nein, keiner will da lächeln, ernst ist jedwed Gesicht:
Darüber möcht' sich ärgern mancher Franzosenwicht.

Ist nicht das Kehren Schande in der Büttel Geleit?
Doch alles Volk verneiget gar tief sich vor der Maid.
Die Köpfe sie entblößen, wie wird sie hoch geehrt!
Man wandelt wie zur Wallfahrt auf der Straße, die sie kehrt.

Ein jeder denkt das Seine, Gedanken sind noch frei:
Gott gebe seinen Segen zu dieser Kehrerei.
Sei sie der Reigenführer nach altem deutschem Brauch
Und lasse Kehraus tanzen bald jeden welschen Gauch.

Die Büttel und die Schergen ließen die edle Maid:
Bald ward mit Kehraustanzen das Vaterland befreit.
Was lang' in treuen Herzen Stoßseufzer nur gehaucht,
Das war in voller Wahrheit ans Tageslicht getaucht.

Drum wandelst du am Rheine zu Mainz hindurch die Stadt,
So blicke mit Verehrung auf deiner Füße Pfad,
So wandle wie ein Bräutigam, der zum Altare tritt,
So wandle wie ein König in stolzem Siegerschritt.

            Wilhelm von Waldbrühl.

 


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