Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Worms

145. Der versenkte Hort

Es war einmal ein König, ein König war's am Rhein,
Der liebte nichts so wenig als Haders Not und Pein.
Es stritten seine Degen um einen Schatz im Land
Und wären fast erlegen vor ihrer eignen Hand.

Da sprach er zu den Edeln: »Was frommt euch alles Gold,
Wenn ihr mit euern Schädeln den Hort erkaufen sollt?
Ein Ende sei der Plage, versenkt ihn in den Rhein;
Da bis zum Jüngsten Tage mag er verborgen sein.«

Da senkten ihn die Stolzen hinunter in die Flut:
Er ist wohl gar geschmolzen, seitdem er da geruht.
Zerronnen in den Wellen des Stroms, der drüber rollt,
Läßt er die Trauben schwellen und glänzen gleich dem Gold.

Daß doch ein jeder dächte wie dieser König gut,
Auf daß kein Leid ihn brächte um seinen hohen Mut.
So senkten wir hinunter den Kummer in den Rhein,
Und tränken frisch und munter von seinem goldnen Wein.

            K. S. [Karl Simrock]

 

146. Der Nibelungenhort

Einem Ritter wohlgeboren im schönen Schwabenland
War von dem weisen Könige die Märe wohlbekannt,
Der den Hort versenken ließ in des Rheines Flut:
Wie er ihm nachspüre, erwog er lang' in seinem Mut.

Darunter lag von Golde ein Wünschrütelein;
Wenn ich den Hort erwürbe, mein eigen müßt' es sein:
Wer Meister wär' der Gerte, das ist mir wohl bekannt,
Dem wär' sie nicht zu Kaufe um alles kaiserliche Land.

Auf seinem Streitrosse mit Harnisch, Schild und Schwert
Verließ der Heimat Gauen der stolze Degen wert:
Zum Binger Loche wollt' er reiten an den Rhein,
Wo die Schätze sollten in der Flut begraben sein.

Der werte Held vertauschte sein ritterlich Gewand
Mit eines Fischers Kleide, den er am Ufer fand,
Den Helm mit dem Barette, sein getreues Roß
Mit einem guten Schifflein, das lustig auf den Wellen floß.

Seine Waffe war das Ruder, die Stange war sein Speer:
So kreuzt' er auf den Wellen manch lieben Tag umher
Und fischte nach dem Horte; die Zeit ward ihm nicht lang:
Er erholte von der Arbeit sich bei Zechgelag und Gesang.

Um das alte Wormes und tiefer um den Rhein,
Bis sich die Berge senken, da wächst ein guter Wein:
Er gleicht so recht an Farbe dem Nibelungengold,
Das in der Flut zerronnen in der Reben Adern rollt.

Den trank er alle Tage, beides, spät und früh,
Wenn er Rast sich gönnte von der Arbeit Müh'.
Er war so rein und lauter, er war so hell und gut,
Er stärkte seine Sinne und erhöht' ihm Kraft und Mut.

Auch hört' er Märe singen, die sang der Degen nach,
Von Alberich dem Zwerge, der des Hortes pflag,
Von hohem Liebeswerben, von Siegfriedens Tod,
Von Kriemhilds grauser Rache und der Nibelungen Not.

Da nahm der Degen wieder das Ruder an die Hand
Und forschte nach dem Horte am weingrünen Strand.
Mit Hacken und mit Schaufeln drang er auf den Grund,
Mit Netzen und mit Stangen; ihm wurden Mühsale kund.

Von des Weines Güte empfing er Kraft genug,
Daß er des Tags Beschwerde wohlgemut ertrug
Sein Lied mit solcher Fülle aus seiner Kehle drang,
Daß es nachgesungen von allen Bergen widerklang,

So schifft' er immer weiter zu Tal den grünen Rhein,
Nach dem Horte forschend bei Hochgesang und Wein.
Am großen Loch bei Bingen erst seine Stimme schwoll,
Hei! wie sein starkes Singen an der Lurlei widerscholl!

Doch fand er in der Tiefe vom Golde keine Spur,
Nicht in des Stromes Bette, im Becher blinkt' es nur.
Da sprach der biedre Degen: »Nun leuchtet erst mir ein:
Ich ging den Hort zu suchen, der große Hort, das ist der Wein.

Der hat aus alten Zeiten noch bewahrt die Kraft,
Daß er zu großen Taten erregt die Ritterschaft.
Aus der Berge Schachten stammt sein Feuergeist,
Der den blöden Sänger in hohen Taten unterweist.

Er hat aus alten Zeiten mir ein Lied vertraut,
Wie er zuerst der Wogen verborgnen Grund geschaut,
Wie Siegfried ward erschlagen um schnöden Golds Gewinn,
Und wie ihr Leid gerochen Kriemhild, die edle Königin.

Mein Schifflein lass' ich fahren, die Gier des Goldes flieht,
Der Hort ward zu Weine, der Wein ward mir zum Lied,
Zum Liede, das man gerne nach tausend Jahren singt
Und das in diesen Tagen von allen Zungen widerklingt.

Ich ging den Hort zu suchen, mein Sang, das ist der Hort
Es begrub ihn nicht die Welle, er lebt unsterblich fort.«
Sein Schifflein ließ er fahren und sang sein Lied im Land:
Das ward vor allen Königen, vor allen Kaisern bekannt.

Laut ward es gesungen im Lande weit und breit,
Hat neu sich aufgeschwungen in dieser späten Zeit.
Nun mögt ihr erst verstehen ein altgesprochen Wort:
»Das Lied der Nibelungen, das ist der Nibelungenhort.«

            K. S. [Karl Simrock]

 

147. Siegfrieds Tod

Aus den Liedern von den Nibelungen.

Gunther und Hagen, die Recken wohlgetan,
Berieten mit Untreuen ein Birschen in den Tann:
Mit den scharfen Speeren wollten sie jagen Schwein',
Und Bären und Wisende: was konnte Kühneres sein?

Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn.
Man bracht' ihnen Speise mancherlei dahin.
An einem kalten Brunnen ließ er da das Leben;
Den Rat hatte Brunhild, König Gunthers Weib, gegeben.

Da ließ man herbergen bei dem Walde grün
Vor des Wildes Wechsel die stolzen Jäger kühn,
Wo sie da jagen wollten auf breitem Angergrund,
Da war auch Siegfried kommen: das ward dem Könige kund.

Von den Jagdgesellen ward umhergestellt
Die Wart nach allen Enden: da sprach der kühne Held
Siegfried der starke: »Wer soll uns in den Wald
Nach dem Wilde weisen? ihr Degen kühn und wohlgestalt?«

»Wollen wir uns scheiden?« hub da Hagen an,
»Ehe wir beginnen zu jagen hier im Tann?
So mögen wir erkennen, ich und die Herren mein,
Wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sei'n.

Leute sowie Hunde, wir teilen uns darein:
Dann fährt, wohin ihn lüstet, jeglicher allein,
Und wer das Beste jagte, dem sagen wir den Dank.«
Da weilten die Jäger beieinander nicht mehr lang'.

Da sprach der edle Siegfried: »Der Hunde hab' ich Rat,
Ich will nur einen Bracken, der so genossen hat,
Daß er des Wildes Fährte spüre durch den Tann:
Wir kommen wohl zum Jagen!« so sprach der Kriemhilde Mann.

Da nahm ein alter Jäger einen Spürhund hinter sich
Und brachte den Herren, eh' lange Zeit verstrich,
Wo sie viel Wildes fanden. Was des Vertrieben ward,
Das erjagten die Gesellen, wie heut' noch guter Jäger Art.

Einen großen Eber trieb der Spürhund auf;
Als er begann zu fliehen, da kam in schnellem Lauf
Derselbe Jagdmeister und nahm ihn wohl aufs Korn:
Anlief den kühnen Degen das Schwein in grimmigem Zorn.

Da schlug es mit dem Schwerte der Kriemhilde Mann:
Das hätt' ein andrer Jäger nicht so leicht getan.
Als es nun gefällt lag, fing man den Spürhund:
Bald war sein reiches Jagen der Burgunden alle kund.

Da vernahm man allenthalben Lärmen und Getos',
Von Leuten und von Hunden ward der Schall so groß,
Man hörte widerhallen den Berg und auch den Tann.
Vierundzwanzig Meuten hatten die Jäger losgetan.

Da wurde viel des Wildes vom grimmen Tod ereilt.
Sie wähnten es zu fügen, daß ihnen zugeteilt
Der Preis des Jagens würde: das konnte nicht geschehn,
Als bei der Feuerstätte der starke Siegfried ward gesehn.

Die Jagd war zu Ende, und doch nicht ganz und gar.
Die zu der Herberg' wollten, brachten mit sich dar
Häute mancher Tiere, dazu des Wilds genug.
Hei! was man zur Küche vor das Ingesinde trug!

Da ließ der König künden den Jägern wohlgeborn,
Daß er zum Imbiß wolle: da wurde laut ins Horn
Einmal gestoßen: damit war nun bekannt,
Daß man den edeln Fürsten bei den Herbergen fand.

Da sprach der edle Siegfried: »Nun räumen wir den Wald.«
Sein Roß trug ihn eben, die andern folgten bald.
Sie verscheuten mit dem Schalle ein Waldtier fürchterlich,
Einen wilden Bären; da sprach der Degen hinter sich:

»Nun will ich uns Kurzweil schaffen auf der Fahrt:
Den Bracken löst, einen Bären hab' ich hier gewahrt,
Der soll mit uns von hinnen zu den Herbergen fahren.
Er müßte hurtig fliehen, wollt' er davor sich bewahren.«

Da lösten sie den Bracken: gleich sprang der Bär hindann;
Da wollt' ihn erreiten der Kriemhilde Mann.
Er fiel in ein Geklüfte: da könnt' er ihm nicht bei;
Das starke Tier wähnte von den Jägern schon sich frei.

Da sprang von seinem Rosse der stolze Ritter gut
Und begann ihm nachzulaufen. Das Tier war ohne Hut,
Es konnt' ihm nicht entrinnen: er fing es allzuhand,
Ohn' es zu verwunden; der Degen eilig es band.

Kratzen oder beißen konnt' es nicht den Mann.
Er band es auf den Sattel: aufsaß der Schnelle dann;
Er bracht' es an die Feuerstatt in seinem hohen Mut
Zu einer Kurzweile, der Degen edel und gut.

Da ritt der edle Degen stattlich aus dem Tann.
Ihn sahen zu sich kommen die in Gunthers Bann.
Sie liefen ihm entgegen und hielten ihm das Roß:
Da führt' er auf dem Sattel einen Bären stark und groß.

Als er vom Roß gestiegen, löst' er ihm das Band
Vom Mund und von den Füßen; die Hunde gleich zur Hand
Begannen laut zu heulen, als sie den Bären sahn.
Das Tier zum Walde wollte: das erschreckte manchen Mann.

Der Bär in die Küche von dem Lärm geriet;
Hei! was er von dem Feuer der Küchenknechte schied!
Gerückt ward mancher Kessel, zerzerrt mancher Brand;
Hei! was man guter Speise in der Asche liegen fand!

Da sprangen von den Sitzen die Herren und ihr Bann;
Der Bär begann zu zürnen; der König wies sie an,
Der Hunde Schar zu lösen, die an den Seilen lag:
Und wär' es wohl geendet, sie hätten fröhlichen Tag.

Mit Bogen und mit Spießen, man versäumte sich nicht mehr,
Liefen hin die Schnellen, wo da ging der Bär;
Doch wollte niemand schießen, von Hunden war's zu voll:
So laut war das Getöse, daß rings der Bergwald erscholl.

Der Bär wurde flüchtig vor der Hunde Zahl;
Ihm konnte niemand folgen als Kriemhilds Gemahl.
Er erlief ihn mit dem Schwerte, zu Tod er ihn da schlug;
Wieder zu dem Feuer das Gesind' den Bären trug.

Da sprachen, die es sahen, er wär' ein starker Mann.
Die stolzen Jagdgesellen rief man zu Tisch heran:
Auf einem schönen Anger saßen ihrer genug.
Hei! was man Ritterspeise vor die stolzen Jäger trug!

Da sprach der Herre Siegfried: »Mich verwundert sehr,
Man bringt uns aus der Küche doch soviel daher,
Was bringen uns die Schenken nicht dazu den Wein?
Pflegt man so der Jäger, will ich nicht Jagdgeselle sein.«

Da sprach der Niederländer: »Ich sag' euch wenig Dank:
Man sollte sieben Säumer mit Met und Lautertrank
Mir hergesendet haben; konnte das nicht sein,
So sollte man uns näher gesiedelt haben dem Rhein.«

Da sprach von Tronje Hagen: »Ihr edeln Ritter schnell,
Ich weiß hier in der Nähe einen kühlen Quell:
Daß ihr mir nicht zürnet, da rat' ich hinzugehn.«
Der Rat war manchem Degen zu großen Sorgen geschehn.

Als sie von dannen wollten zu der Linde breit,
Da sprach von Tronje Hagen: »Ich hörte jederzeit,
Es könne niemand folgen Kriemhilds Gemahl,
Wenn er rennen wolle; hei! schauten wir doch das einmal!«

Da sprach von Niederlanden Siegfried der Degen kühn:
»Das mögt Ihr wohl erproben; wollt Ihr zur Wette hin
Mit mir an den Brunnen? Wenn der Lauf geschieht,
Soll der uns Sieger heißen, den man den Vordersten sieht.«

»Wohl, laßt es uns versuchen,« sprach Hagen der Degen.
Da sprach der starke Siegfried: »So will ich mich legen
Hier zu Euern Füßen nieder in das Gras.«
Als er das erhörte, wie lieb war König Gunthern das!

Da sprach der kühne Degen: »Ich will Euch mehr noch sagen:
All mein Geräte will ich mit mir tragen,
Den Speer samt dem Schilde, dazu mein Birschgewand.«
Das Schwert und den Köcher er um die Glieder schnell sich band.

Abzogen sie die Kleider von dem Leibe da:
In zwei weißen Hemden man beide stehen sah.
Wie zwei wilde Panther liefen sie durch den Klee;
Man sah bei dem Brunnen den kühnen Siegfried doch eh'.

Den Preis in allen Dingen vor manchem man ihm gab.
Da löst' er schnell die Waffe, den Köcher legt' er ab,
Den Speer, den starken, lehnt' er an den Lindenast:
Bei dem fließenden Brunnen, da stand der herrliche Gast.

Siegfrieds Tugenden waren gut und groß.
Den Schild legt' er nieder, wo der Brunnen floß:
Wie sehr ihn auch dürstete, der Held nicht eher trank
Bis der König getrunken; dafür gewann er übeln Dank.

Der Brunnen war lauter, kühl und auch gut;
Da neigte sich Gunther hernieder zu der Flut.
Als er getrunken hatte, erhob er sich hindann;
Also hätt' auch gerne der kühne Siegfried getan.

Da entgalt er seiner Tugend: den Bogen und das Schwert
Trug Hagen beiseite von dem Degen wert.
Dann sprang er schnell zurücke, wo er den Wurfspieß fand
Und sah nach einem Zeichen an des Kühnen Gewand.

Als Siegfried der Degen aus dem Brunnen trank,
Schoß er ihm durch das Kreuze, daß aus der Wunde sprang
Das Blut seines Herzens hoch an Hagens Staat.
Kein Held begeht wieder also große Missetat.

Der Held in wildem Toben von dem Brunnen sprang;
Ihm ragte von den Schultern eine Speerstange lang.
Nun wähnt' er da zu finden Bogen oder Schwert,
So hätt' er Lohn Herrn Hagen wohl nach Verdienste gewährt.

Als der Todwunde das Schwert nicht wiederfand,
Da blieb ihm nichts weiter als der Schildesrand;
Den hob er auf vom Brunnen und rannte Hagen an:
Da konnt' ihm nicht entrinnen König Gunthers Untertan.

Wie wund er war zum Tode, so kräftig doch er schlug,
Daß von dem Schilde niederträufelte genug
Des edeln Gesteines: der Schild zerbrach ihm fast.
Wie gern gerochen hätte sich der herrliche Gast.

Gestrauchelt war da Hagen von seiner Hand zu Tal;
Der Anger von den Schlägen erscholl im Widerhall.
Hätt' er sein Schwert in Händen, so wär' es Hagens Tod:
Sehr zürnte der Wunde; es zwang ihn wahrhafte Not.

Seine Farbe war erblichen, er konnte nicht mehr stehn:
Seines Leibes Stärke mußte gar zergehn,
Da er des Todes Zeichen in lichter Farbe trug.
Er ward hernach betrauert von schönen Frauen genug.

Da fiel in die Blumen der Kriemhilde Mann:
Das Blut von seiner Wunde stromweis niederrann.
Da begann er die zu schelten, ihn zwang die große Not,
Die da geraten hatten mit Untreue seinen Tod.

Da sprach der Todwunde: »Weh, ihr bösen Zagen,
Was helfen meine Dienste, da ihr mich habt erschlagen?
Ich war euch stets gewogen und sterbe nun daran:
Ihr habt an euern Freunden leider übel getan.«

Hinliefen all die Ritter, wo er erschlagen lag;
Das war ihrer vielen ein freudeloser Tag.
Wer irgend Treue kannte, von dem ward er beklagt:
Das hatt' auch wohl um alle verdient der Degen unverzagt.

Der König der Burgunden beklagt' auch seinen Tod.
Da sprach der Todwunde: »Das tut wohl nimmer not,
Daß der um Schaden weinet, durch den man ihn gewann:
Er verdient groß Schelten, er hätt' es besser nicht getan.«

Da sprach der grimme Hagen: »Ich weiß nicht, was euch reut.
Nun hat zumal ein Ende unser sorglich Leid.
Nun mag's nicht manchen geben, der uns darf bestehn:
Wohl mir, daß seiner Herrschaft durch mich ein End' ist geschehn.«

»Ihr mögt Euch leichtlich rühmen,« sprach der von Niederland,
»Hätt' ich die mörderische Weis' an Euch erkannt,
Vor Euch hätt' ich behütet Leben wohl und Leib.
Mich dauert nichts auf Erden als Frau Kriemhild, mein Weib.

Auch mag es Gott erbarmen, daß ich gewann den Sohn,
Der nun auf alle Zeiten bescholten ist davon,
Daß seine Freunde jemand meuchlerisch erschlagen:
Hätt' ich Zeit und Weile, das müßt' ich billig beklagen.«

Da sprach im Jammer weiter der todwunde Held:
»Wollt Ihr, edler König, noch auf dieser Welt
An jemand Gutes üben, so laßt befohlen sein
Auf Treue und auf Gnaden Euch die liebe Traute mein.

Laßt es sie genießen, daß sie Eure Schwester sei,
Bei aller Fürsten Tugend, steht ihr getreulich bei!
Mein mögen lange harren mein Vater und mein Lehn:
Es ist am lieben Freunde keinem Weibe leider geschehn.«

Die Blumen allenthalben wurden vom Blute naß.
Da rang er mit dem Tode, nicht lange tat er das,
Denn des Todes Waffe schnitt ihn allzusehr:
Auch mußte bald ersterben dieser Degen kühn und hehr.

Als die Herren sahen, der Degen sei tot,
Sie legten ihn auf einen Schild, der war von Golde rot.
Da gingen sie zu Rate, wie es sollt' ergehn,
Daß es verhohlen bliebe, es sei von Hagen geschehn.

Da sprachen ihrer viele: »Ein Unfall ist geschehn;
Ihr sollt es alle hehlen und einer Rede stehn:
Als er allein ritt jagen, der Kriemhilde Mann,
Da schlugen ihn die Schächer, da er fuhr durch den Tann.«

Da sprach von Tronje Hagen: »Ich bring' ihn in das Land.
Mich soll es nicht kümmern, wird es ihr auch bekannt,
Die so betrüben konnte Brunhildens hohen Mut;
Ich werde wenig fragen, wie sie nun weinet und tut.«

Da harrten sie des Abends und fuhren über Rhein:
Von Helden konnte nimmer so schlimm gejaget sein.
Ihr Beutewild beweinte noch manches edle Weib.
Bald mußte sein entgelten viel guter Weigande Leib.

 

148. Eberhard im Bart

Es saßen einst zu Worms am Rhein
Der Kaiser Max bei frohem Mahl,
Und um ihn her in bunten Reih'n
Die deutschen Fürsten ohne Zahl.
Da duften rings die Braten frisch,
Da perlt der Wein zum Becherklang,
Und um den reichbesetzten Tisch
Erschallt Trompet' und Festgesang.

Schon labte sich der heitre Mut,
An mancher Rede froh und traut
Und von dem edeln Rebenblut
Alsbald ward jede Zunge laut.
Und wie sie nun ein Bruderbund
Umjauchzt den kaiserlichen Hort,
Da tat mit Lächeln seinen Mund
Der Pfälzer auf und sprach das Wort:

»Ihr Herrn, wer rühmt ein Erbe sein
Gleich mir? Von meinen Höhn ergießt
Aus vollem Borne sich der Wein,
Der allen heut' zur Labe fließt.
Wie herrlich ist's, von diesen Höhn
Hinunter nach dem alten Rhein
Aufs fruchtgeschwellte Land zu sehn
Bei einem solchen Glase Wein!«

Drauf sprach der Sachse streng und schlicht:
»Hat euch allein das Glück gelacht?
Wohl auf den Bergen find' ich's nicht,
Doch unten tief im Bergesschacht.
Ich nenn' euch gültigen Ersatz:
Seht nur mein liebes Sachsen an!
Ist nicht das Eisen auch ein Schatz,
Das ich im Schweiße mir gewann?«

Dann hub der Bayern Kurfürst an:
»Nicht Wein noch Eisen ist mein Glanz;
Doch steh' auch ich nicht hintenan
In deutscher Fürsten stolzem Kranz.
Seht der Paläste kühnen Bau,
Der Gotteshäuser Kuppelreihn,
Die Burgen seht in jedem Gau –
Und dieses alles nenn' ich mein!«

So rühmte, wie's begonnen ward,
Sich jeder nach der Reihe fort,
Und kam zuletzt an Eberhard,
Den Grafen Württembergs, das Wort:
»Fast sollt' ich schämen mich, ihr Herrn,
Vor eurer Länder prunkem Schein!
Doch wollt ihr hören, preis' ich gern
Auch meines Landes Edelstein!

Verirr' ich mich in einem Wald,
In einem dichten finstern Tann,
Und kommt des Weges alsobald
Ein Württemberger mir heran,
So leg' ich mich in seinen Schoß
Und schlafe sanft und sicher ein:
Und sel'ger als im Fürstenschloß
Wird mein erquickt Erwachen sein.«

Da blickten sie den frommen Herrn
Mit großen Augen staunend an,
Und reichten ihm den Preis so gern
Und schämten sich vor solchem Mann;
Er aber strahlte licht und hehr
Und so von Lust und Liebe warm,
Als ob er just entschlafen wär'
In eines Württembergers Arm.

            K. Grüneisen.

 

149. Kaiser Maximilian

War einst zu Worms ein groß Turnei
Vom Kaiser ausgeschrieben,
Das lockt' die Ritter rings herbei,
War keiner heim geblieben.
Den ganzen lieben langen Tag
Man tummelte und Lanzen brach,
    War abends Tanz und Zechen.

Da kam auch aus dem Frankenreich
Ein Mann mit starken Wehren,
Er ritt heran, als wollt' er gleich
Die ganze Stadt verzehren.
Ein riesengroßes Schwert er schwang,
Sein Roß war sieben Ellen lang,
    Vier Ellen in der Höhe.

Manch seltsam Wort und Wundermär'
War ihm vorausgeflogen
Und trug den Schrecken vor ihm her;
So kam er angezogen,
Kehrt' in den besten Gasthof ein,
Läßt seinen Schild mit hellem Schein
    Hoch aus dem Fenster leuchten.

Und rief: »Wer mich im Kampf besiegt,
Dem geb' ich mich zu eigen,
Doch muß auch, wer mir unterliegt,
Sich mir als Sklave neigen.«
So harrt er sieben Tage lang;
Doch wollt' keiner sich den Dank
    Mit seiner Haut gewinnen.

Der Kaiser, den das Ding verdroß
Und seiner Ritter Zagen,
Rief manchen tapfern Schildgenoß,
Den kühnen Strauß zu wagen;
Doch schon die zweite Woche schwand,
Und keiner noch dem Ritter stand,
    Der immer stärker pochte.

Da ritt auf hohem, stolzem Roß,
In Waffen goldenhelle,
Ein Ritter von des Kaisers Schloß
Und rief: »Wohlauf, Geselle!
Heraus zum Kampf auf Spieß und Schwert,
Kannst einen Dank der Mühe wert
    Mit starker Faust dir holen.«

Der Riese langte von der Wand
Den Eichbaum, seine Lanze,
Er nahm das breite Schwert zur Hand
Und ritt zum Waffentanze,
So kamen sie zum weiten Plan;
Das Volk zu Tausend zog heran,
    Dem Kampfe zuzuschauen.

Die brachen aufeinander los,
Zwei leuchtende Gewitter,
Wie Donner kracht' der Lanzenstoß,
Fest saßen beide Ritter;
Die Rosse aber kraftentmannt
Hinstürzten keuchend in den Sand,
    An allen Gliedern bebend.

Und drauf die beiden Ritter schnell
Sich aus den Sätteln schwangen,
Die Schwerter zogen, daß sie hell
Auf Stahl und Panzer klangen.
Wie Eichensturz des Franken Schlag,
Wie Blitze schnell und zuckend brach
    Des Deutschen Schwert hernieder.

Da zum gewalt'gen Streiche schwingt
Der Riese seine Wehre,
Der Ritter schnell zur Seite springt,
Entgeht des Hiebes Schwere
Und schlägt mit einem Schlag gewandt
Dem Franken ab die rechte Hand:
    Der sank in Schmerz zusammen.

Und an des Himmels weitem Schoß
Bricht sich der Jubel wieder,
Der Sieger schlägt den Helmsturz los,
Das Volk sinkt dankend nieder:
Der Ritter, der mit solcher Tat
Den deutschen Ruhm gerettet hat,
    War Kaiser Max geheißen.

            C. v. Rappard.

 

150. Der Star und das Badwännlein

Herr Konrad war ein müder Mann,
Er band sein Roß am Wirtshaus an.

Das Mägdlein sprach: »Steig ab, steig ab;«
Ihre Äuglein schwankten auf und ab.

»Ach Jungfer, liebste Jungfer mein,
Schenkt mir einen Becher kühlen Wein.

Frau Wirtin, liebe Frau Wirtin mein,
Ist dies fürwahr Eu'r Töchterlein?« –

»Mein Töchterlein ist sie nicht fürwahr,
Sie ist meine Magd für immerdar.« –

»Wollt Ihr zur Braut sie geben mir,
So nehmt das rote Gold dafür.« –

»Gebt Ihr das rote Gold dafür,
Nehmt sie zu einer Braut von mir.

Nun richt' dem Herrn ein Fußbad an
Mit Rosmarin und Majoran.«

Sie ging in Garten und brach das Kraut,
Da sprach der Star: »O weh du Braut!

In dem Badwännlein ist sie hergetragen:
Darin muß sie ihm die Füße zwagen.

Der Vater starb in Leid und Not,
Die Mutter grämt' sich schier zu Tod.

O weh du Braut, du Findelkind!
Weißt nicht, wo Vater und Mutter sind.«

Da trug sie das Badwännelein
Wohl in des Herrn Schlafkämmerlein.

Sie fühlt hinein, ob's nit zu warm
Und weint dazu, das Gott erbarm!

»Ach meine Braut, was weinst du dann?
Bin ich dir nicht gut für einen Mann?«

»Du bist mir gut für einen Mann,
Ich wein' über was der Star mir sang.

Ich war im Garten und brach das Kraut,
Da sang der Star: O weh du Braut!

In dem Badwännlein ist sie hergetragen:
Darin muß sie ihm die Füße zwagen.

Der Vater starb in Leid und Not,
Die Mutter grämt' sich schier zu Tod.

O weh du Braut, du Findelkind,
Weißt nicht, wo Vater und Mutter sind.«

Da sah der Herr das Badwännlein an,
Da war das burgundische Wappen dran.

»Das ist meines Herrn Vaters Schild allein:
Wie kommt das Wännlein ins Wirtshaus herein?«

Da sang der Vogel am Fensterladen:
»In dem Badwännlein ist sie hergetragen.

O weh du Braut, du Findelkind!
Weißt nicht, wo Vater und Mutter sind.«

Herr Konrad sah an ihren Hals,
Da hatte sie ein Muttermal:

»Grüß Gott, Grüß Gott, mein Schwesterlein,
Dein Vater ist König an dem Rhein.

Christina heißt deine Mutter,
Konrad dein Zwillingsbruder.«

Da knieten sie nieder auf ihre Knie
Und dankten Gott bis morgen früh,

Daß er sie hielt von Sünde rein
Durch den Star und das Badwännelein.

Und als zu Morgen kräht der Hahn,
Frau Wirtin fängt zu rufen an:

»Steh auf, steh auf, du junge Braut,
Kehr deiner Frau die Stuben aus.« –

»Sie ist fürwahr keine junge Braut,
Sie kehrt der Wirtin die Stube nicht aus.

Herein, Frau Wirtin, nur herein,
Nun bringt uns einen Morgenwein.«

Und als die Wirtin zur Stuben eintrat,
Herr Konrad sie gefraget hat:

»Woher habt Ihr das Jungfräulein?
Sie ist eines Königs Töchterlein.«

Die Wirtin ward bleich als die Wand,
Der Star verriet da ihre Schand'.

»In einem Lustgarten im grünen Gras
Das Kind in einem Badwännlein saß.

Da hat die böse Zigeunerin
Gestohlen das zarte Kindelein.«

Herr Konrad war so gar entrüst',
Sein Schwert er durch ihre Ohren spießt.

Er bat sein Schwesterlein um einen Kuß,
Ihr Mündlein reicht sie ihm mit Lust.

Er führt' sie bei der schneeweißen Hand
Und hob sie auf den Sattel bald

Das Wännlein trug sie auf dem Schoß,
Da ritt er vor der Frau Mutter Schloß.

Und als er in das Tor eintritt,
Die Mutter ihm entgegenschritt.

»Ach Sohne, liebster Sohne mein,
Was bringst du für eine Braut herein?«

»Es ist fürwahr keine junge Braut,
Es ist Eure Tochter Gertraud.«

Und als sie von dem Sattel sprang,
Die Mutter in eine Ohnmacht sank.

Und als sie wieder zu Sinnen kam,
Ihre Tochter sie in die Arme nahm.

»Laß sie sich's eine Freude sein,
Ich bin Gertraud, ihr Töchterlein.

Heut' sind es fürwahr achtzehn Jahr,
Daß ich der Frau Mutter gestohlen war.

Und ward getragen über Rhein
In diesem kleinen Badwännelein.«

Und als sie sprach, da kam der Star
Und sang die Sach' ganz offenbar.

Und sang: »O weh, mein Ohr tut weh,
Ich will keine Kinder stehlen mehr.

Ach Goldschmied, lieber Goldschmied mein,
Nun schmiede mir ein Gitterlein.

Schmied mir es wohl vor das Badwännelein,
Das soll des Staren Wohnung sein.«

            Aus des Knaben Wunderhorn.

 


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