Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Nachtigallwäldchen bei Honnef

65. Die verbannten Nachtigallen

»Hinweg von Kloster Himmelrath,
Verführerinnen, Nachtigallen!
Ihr habt mit brünst'ger Lieder Schallen
Den Mönch verlockt vom Himmelspfad.

Nicht länger soll wollüst'ger Laut
Der Brüder strengen Sinn betören;
Ich habe Macht, euch zu beschwören:
Hinweg, eh' ihr mich zornig schaut.«

St. Bernhard hob die Hand empor:
Da floh, geschreckt von seinem Dräuen,
In alle Welt sich zu zerstreuen,
Der Sängerinnen Jubelchor.

Die meisten flogen an den Rhein:
Bei Honnef in dem schönen Tale,
Da schloß sie vor dem heißen Strahle
Ein Wald in duft'ge Schatten ein.

Sie saßen im belaubten Dom
Und sangen ihre sel'gen Lieder,
Die sieben Berge hallten wider,
Andächtig floß vorbei der Strom.

Der Wandrer, den ein Leid gedrückt,
Vernahm's und ging dahin getroster;
Die Nonnen in dem Inselkloster,
Zum Himmel ward ihr Geist entzückt.

Das ist fürwahr nicht sünd'ge Lust,
Das ist kein irdisch eitles Klingen:
St. Bernhard, hörtest du sie singen!
Sie loben Gott aus voller Brust.

            K. S. [Karl Simrock]

 


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