Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Hohe Acht

73. Frau Holle

Wer weiß mir von dem Gatten Kunde,
Wo weilt mein Lieb, das mir entfloh?
Ich such' im Sturm ihn in der Runde
Und nimmer werd' ich wieder froh,
Bis ich ihn fand
Und meine Hand
Der seinen traulich sich verband.

Wir waren junge Eh'genossen
Ach, nicht zwei volle Wochen lang,
Die Bäume blühten, Blumen sprossen,
Die frohe Herde blökt' und sprang.
Die Luft war frei
Im Monat Mai
Und Pärchen tanzten zur Schalmei.

Da stahl er sich von meiner Seite,
Die wonniglich entschlummert war:
Nun such' ich ihn in aller Weite!
Im Winde fliegt mein langes Haar.
Der Mädchen Schwarm
Sieht meinen Harm:
O führt ihn heim in meinen Arm!

Ich schweb' ihm nach durch alle Lande,
Und glaub' ich jetzt, ich holt' ihn ein,
So floh er meine Liebesbande,
Und nimmer glückt mir der Verein.
Mein Auge wacht
Bis Miternacht,
Dann wein' ich auf der hohen Acht.

Sie heißen meine Tränen golden
Und freuen sich der Qual vielleicht,
Doch meine Sehnsucht nach dem Holden
Hat hier den harten Stein erweicht.
Dem Steine nur
Verblieb die Spur
Des Leides, das mein Herz durchfuhr.

Wer weiß mir von dem Gatten Kunde,
Wo weilt mein Lieb, das mir entfloh?
Ich such' im Sturm ihn in der Runde
Und nimmer werd' ich wieder froh,
Bis ich ihn fand
Und meine Hand
Der seinen traulich sich verband.

            K. S. [Karl Simrock]

 


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